Das Kind des Schattens
den Bäumen, dem schnellen Huschen irgendeines kleinen Tieres. Dann erfolgte ein kaum hörbares Rascheln im Gras, und Torc und Sorcha waren neben ihnen, gefolgt von Brock und Faebur, die einige Augenblicke später ebenso leise ankamen. Das Gesicht des jungen Mannes aus Eridu war zu einer grimmigen Maske gespannt. Mit seinen dunklen Tätowierungen glich er einem primitiven, unversöhnlichen Kriegsgott.
Levon winkte sie ganz nahe an sich heran. Kaum hörbar flüsterte er: »Wenn es irgendeinen Hinterhalt hier gibt, wird er hier in der Nähe sein. Sie werden erwarten, dass wir so eng, wie wir nur können, an Daniloth vorbeiziehen. Jeder Angriff würde uns am Rande des Schattenlandes festhalten, da unsere Pferde uns zwischen diesen Bäumen nichts nützen. Ich möchte von hier aus nördlich vorgehen und spähen und dann einen Bogen ein Stück weiter nach Osten machen. Wenn wir nichts finden, können wir ins Lager zurückgehen und mit Cechtar Würfel spielen. Er ist ein ziemlich schlechter Spieler, und er hat einen Gürtel, den ich gerne selbst hätte.«
Levons Zähne blitzten weiß in der Dunkelheit. Dave grinste zu ihm zurück. Augenblicke wie dieser, so stellte er fest, waren es, wofür man lebte.
Und dann trat von Norden her ein gewappneter Wachposten in ihre Senke.
Hätte er Alarm geschlagen, hätte er dazu Zeit gehabt, wären sie wahrscheinlich alle gestorben.
Aber er hatte keine Zeit. Von den sieben Männern, auf die er gestoßen war, war ein jeder auf seine eigene Art schrecklich gefährlich und sehr schnell. Der Wachtposten sah sie, öffnete seinen Mund, um einen Schrei zur Warnung auszustoßen … und starb mit einem Messer in seiner Kehle. Es war das schnellste von allen.
Bevor er zu Boden fiel, wurde er noch von zwei Pfeilen und einem zweiten Messer getroffen. Aber alle sieben wussten, wessen Klinge ihn getötet hatte, wer der erste gewesen war. Sie blickten auf Brock von Banir Tal und dann auf den Zwerg, den er getötet hatte, und sie schwiegen.
Brock ging einige Schritte nach vorn und sah lange Zeit auf sein Opfer herab. Dann bückte er sich und zog sein Messer aus der Kehle des Zwerges und danach auch Sorchas Messer aus seinem Herzen. Er ging zu den sechs anderen zurück, und seine Augen zeugten, sichtbar sogar in den nächtlichen Schatten, von großem Schmerz.
»Ich kannte ihn«, flüsterte er, »er hieß Vojna. Er war sehr jung, ich kannte auch seine Eltern. In seinem ganzen Leben hat er nie etwas Böses getan. Was ist mit uns geschehen?«
Es war Mabons tiefe Stimme, die ruhig in dieses Schweigen glitt. »Mit einigen von euch«, verbesserte er sanft. »Aber ich glaube, dass wir jetzt eine Antwort auf Teyrnons Rätsel haben.
Gefahr ist hier vorhanden, aber es ist nicht das wirklich Böse, sondern nur ein Fädchen davon. Die Zwerge haben den Auftrag, uns einen Hinterhalt zu legen, aber sie gehören nicht wirklich zur Finsternis.«
»Spielt das noch eine Rolle?« flüsterte Brock bitter.
»Das glaube ich schon«, antwortete Levon ernst. »Es könnte zumindest eine Rolle spielen. Doch genug der Worte: Sicher gibt es noch weitere Wachposten. Ich möchte herausfinden, wie viele es sind und wo sie sich genau aufhalten. Außerdem brauche ich zwei von euch, die diese Nachricht jetzt sofort zum Lager bringen.« Er zögerte. »Torc, Sorcha.«
»Nein, Levon!« zischte Torc. »Du kannst nicht …«
Levons Kiefer wurde fest, und seine Augen flammten. Torc unterbrach sich jäh. Der dunkle Dalrei schluckte, er nickte ruckartig und drehte sich dann um. Seite an Seite mit seinem Vater verließ er den Wald und wandte sich nach Süden zurück. Die Nacht nahm sie auf, als ob sie niemals hier gewesen wären.
Dave bemerkte, dass Levon ihn ansah. Er erwiderte seinen Blick. »Ich konnte es nicht«, flüsterte Levon. »Nicht so kurz, nachdem sie sich wieder gefunden hatten.«
Manchmal sind Worte überflüssig oder sogar unsinnig. Dave griff nach vorne und drückte Levons Schulter. Auch die anderen schwiegen. Levon drehte sich um und ging voraus. Neben Mabon und gefolgt von Brock und Faebur ging Dave hinter ihm her, schritt mit bereitgehaltener Axt in die Schwärze des Waldes hinein.
Der Wachtposten war von Nordosten gekommen, und das war auch die Richtung, die Levon einschlug. Daves Herz raste, tief drückte er sich zwischen die duftenden Umrisse der immergrünen Büsche und Bäume, bemüht Gestalten wahrzunehmen. Tod und Verrat weilten hier in diesem Wald, aber trotz seiner Angst und seines Zornes fühlte er
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