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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Maugrim übergeben hatte und in Starkadh zugegen war, als Jennifer dorthin gebracht wurde. Er fühlte, wie sein eigener Hass emporstieg, wie seine Augen schmal und kalt wurden, als er wieder auf den Zwerg am Feuer blickte. Seine Hand klammerte sich fester um den Griff seiner Axt.
    Aber sie waren ein Spähtrupp und kein Überfallkommando. Noch während er auf Blod starrte und nach seinem Tod dürstete, hörte er, wie Levon ihnen leise flüsternd den Befehl zum Rückzug gab. Aber dazu kam es nicht mehr.
    »Da ist jemand!« schrie ein Wachposten der Zwerge, und ein anderer gab den Alarm weiter.
    Dave Martyniuk dachte daran, wie sein Vater in der schwärzesten Nacht in der schwärzesten Zeit Brücken gesprengt hatte. Er sah, wie Brock und Levon aufsprangen und ihre Waffen zückten.
    Er stand auf, erhob seine Axt, nahm Faeburs gespannten Bogen wahr und Mabons gezogenes Schwert, das im roten Licht der Feuer blinkte. Einen Augenblick lang blickte er nach oben, der Mond war verborgen, aber zwischen den Wolken hoch über den Bäumen, den Feuern, über allem funkelten einzelne Sterne am Himmel.
    Er trat nach vorne in die Lichtung, um seine Axt schwingen zu können. Neben ihm stand Levon. Er tauschte einen schnellen Blick mit dem Mann, den er seinen Bruder nannte, mehr Zeit blieb ihnen nicht. Dann wandte er sich dem alarmierten Heer der Zwerge zu und bereitete sich vor, so viele wie möglich in die Nacht zu schicken, bevor er selbst starb.
     
    Als Sharra auf dem Deck von Amairgens Schiff aufwachte, war es noch immer dunkel. Ein schwerer Nebel lag über dem Meer und verhüllte die Sterne. Der Mond war schon lang untergegangen.
    Sie zog Diarmuids Mantel enger um sich, der Wind war kalt. Sie schloss ihre Augen, sie wollte noch nicht richtig wach werden und mit vollem Bewusstsein wahrnehmen, wo sie war. Aber sie wusste es. Das Knarren der Masten und das Flappen der zerrissenen Segel waren deutlich genug, und alle paar Augenblicke hörte sie das Geräusch von unsichtbaren Schritten. Es waren Seeleute, die seit tausend Jahren tot waren.
    Rechts und links von ihr schliefen Jaelle und Jennifer noch immer. Sie fragte sich, wie spät es wohl war; aufgrund des Nebels blieb die Zeit unbestimmbar. Sie wünschte, dass Diarmuid neben ihr läge und sie mit seiner Nähe wärme. Aber sie hatte nur seinen Mantel, der vom Nebel feucht war. Er war zu sehr um ihre Ehre besorgt, als dass er sich irgendwo neben sie gelegt hätte, sei es auf dem Schiff oder vorher auf dem Strand am Anor.
    Aber immerhin hatten sie eine Weile miteinander verbracht, nachdem Lancelot alleine in den Wald gegangen war, es war in jener täuschend stillen Stunde zwischen dem Einbruch der Dämmerung und der vollkommenen Dunkelheit gewesen.
    Jegliche Ruhe war jetzt täuschend, machte sich Sharra klar und schmiegte und hüllte sich enger unter den Mantel und die Decken, die sie ihr gegeben hatten. Rings um sie her gab es zuviel Gefahr und Leid, und sie hatte noch mehr von beidem erfahren, als Diarmuid ihr nach und nach die Geschichte ihrer Reise erzählte, als sie an der nordwestlichen Krümmung des Strandes jenseits des Anor entlangwanderten und zum ersten Mal – für sie beide – die nackten Felsen von Rhudh im letzten Licht blutrot aufglänzen sahen.
    Als er ihr von dieser Seefahrt berichtete, enthielt seine Stimme nicht eine Spur von seiner gewohnten Ironie, keinerlei spöttische und unehrerbietige Anspielungen wurden laut. Er sprach vom Seelenverkäufer, während sie seine Hand in der ihren hielt und wie als Hintergrund zu dem versonnenen Tonfall Brendels Trauergesang zu hören schien.
    Dann erzählte er ihr von jenem Augenblick in der Totenkammer von Cader Sedat, als Arthur Pendragon inmitten des unaufhörlichen Wellenschlages aller Meere aus allen Welten Lancelot von seinem steinernen Totenbett erweckt hatte.
    Sharra lag mit geschlossenen Augen auf dem Schiff, lauschte dem Wind und dem Meer und erinnerte sich an seine Worte: »Weißt du«, hatte er gemurmelt, während die Felsen ein noch dunkleres Rot annahmen, »ich glaube nicht, dass ich es geschafft hätte, jemand zu dir zurückzubringen, den du genau so sehr wie mich geliebt hast. Wirklich, ich glaube nicht, dass ich Manns genug gewesen wäre, das zu tun, was Arthur getan hat.«
    Sie war klug genug, um zu wissen, dass dieses Geständnis ihm schwer fiel, und sie hatte erwidert: »Er ist jetzt mehr als ein Sterblicher. Die Fäden dieser drei Namen gehen auf dem Webstuhl so weit zurück, sie sind in so vielfältiger

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