Das Kind des Schattens

abgeschnitten ist.«
    Wieder folgte Schweigen, aber diesmal war es ebenso sehr aus ehrfürchtigem Schauder wie aus Angst geschaffen. Aileron aber brach es in einem absichtlich schroffen Tonfall, der sie alle zurück auf den Boden der Tatsachen brachte, und sie daran erinnerte, dass der Tag sich unerbittlich der Dämmerung zuneigte. »Wir haben einen langen Weg vor uns«, waren die Worte des Großkönigs. »Ihr drei seid willkommen unter uns. Könnt ihr reiten?«
    Brock nickte.
    »Deshalb bin ich hier«, erklärte Faebur. Es war eine junge Stimme, die sich bemühte, ernst und streng zu klingen. »Um mit euch zu reiten und zu tun, wozu ich fähig bin, wenn die Schlacht herannaht.«
    Aileron schaute zu dem älteren Mann hinüber, der sich Dalreidan nannte. Dave bemerkte, dass auch Ivor ihn ansah, und dass Dalreidan zurückblickte. Nicht auf den Großkönig, sondern auf den Aven.
    »Ich kann reiten«, versicherte Dalreidan leise. »Ist es mir erlaubt?«
    Dave erkannte mit einem Mal, dass hier noch eine andere Geschichte ablief.
    Ivor blickte lange Zeit wortlos auf Dalreidan und antwortete dann: »Kein Häuptling kann dem Gesetz zufolge einen Ausgestoßenen wieder aufnehmen. Aber nichts, was ich aus den Pergamenten in Celidon kenne, spricht davon, was der Aven in einem solchen Fall tun darf. Wir sind im Krieg und du hast bereits in unserer Sache gedient. Du hast die Erlaubnis, zurückzukehren. Das entscheide ich jetzt als Aven.«
    Er hielt inne und fuhr dann schließlich mit veränderter Stimme fort: »Du hast die Erlaubnis, in die Ebene und in deinen Stamm zurückzukehren, aber nicht unter dem Namen, den du inzwischen angenommen hast. Sei willkommen unter dem Namen, den du vor jenem unglückseligen Ereignis trugst, das dich in die Berge getrieben hat. Dieser Faden leuchtet heller in der Dunkelheit, als ich es jemals zu erwarten gehofft hatte, es ist ein Versprechen der Wiederkehr. Ich kann nicht sagen, wie froh ich bin, dich wieder hier zu sehen.«
    Er lächelte. »Dreh dich jetzt um, denn hier steht noch jemand anders, der ebenso glücklich sein wird. Sorcha vom dritten Stamm, wende dich um und begrüße deinen Sohn!«
    Torc, der vor Dave stand, erstarrte, während Levon einen Jubel ausstieß. Sorcha wandte sich um. Er blickte auf seinen Sohn, und Dave sah, wie das staubgeschwärzte Gesicht des alten Dalrei in unerwarteter Freude aufleuchtete.
    Einen Augenblick lang blieb das Bild unbewegt. Dann stolperte Torc mit ungewohnter Unbeholfenheit nach vorne, und er und sein Vater begegneten sich in einer Umarmung, die so heftig war, als müsste sie all die dunklen Jahre wegquetschen, die zwischen ihnen gelegen waren.
    Dave, der Torc den Stoß versetzt hatte, der ihn vorwärts trieb, lächelte unter Tränen. Er blickte auf Levon und dann auf Ivor. Er dachte an seinen eigenen Vater, der so fern war … und der ihm sein ganzes Leben lang so fern erschienen war. Er schaute zum Berg Rangat hinüber und erinnerte sich an die Feuerhand. »Glaubst du«, murmelte Mabon von Rhoden, »dass die kleine Expedition, die wir vorhaben, auch mit sieben Leuten durchgeführt werden könnte?«
    Dave trocknete seine Augen und nickte. Und weil er noch immer unfähig war zu sprechen, nickte er wieder.
     
    Levon gab ihnen das Zeichen, weiter nach vorne zu kommen. So leise er konnte, kroch Dave neben seinem Freund vorwärts, achtete sorgsam auf die Axt, die er trug. Die anderen folgten ihm. Sie lagen nun flach auf einem Hügel, einem schwachen Schutz auf der offenen Ebene, und blickten nach Norden auf Gwynirs Dunkelheit.
    Über ihnen trieben Wolken nach Osten, sie verhüllten und enthüllten den abnehmenden Mond. Ein leichter Wind seufzte durch das hohe Gras und trug nun zum ersten Mal den Duft des immergrünen Waldes heran.
    Weit jenseits der Bäume ragte der Berg Rangat hervor und beherrschte den nördlichen Himmel. Als der Mond wieder frei war von Wolken, leuchtete der Berg in seltsam gebrochenem Licht. Dave blickte nach Westen und sah, dass die Welt dort zu Ende ging.
    Oder zumindest schien es so. Sie waren unmittelbar am Rande von Daniloth, dem Schattenland, wo die Zeit sich veränderte, wo Menschen sich in Ra-Lathens Nebel verirren und bis zum Ende aller Welten dort umherwandem konnten. Dave spähte in die mondbeleuchteten Schatten, in den bewegten schwebenden Nebel, und es schien ihm, dort verschwommene Gestalten zu erkennen, von denen einige auf Geisterpferden ritten, andere zu Fuß gingen, aber alle bewegten sich schweigend im Nebel.
    Sie