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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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ließ, und dieser eine Hieb zertrennte beide, Barth und Narvon, die Kinder im Wald. Und sein geistiges Bild war viel lebhafter, als eine solche Erinnerung jemals sein konnte.
    Er erinnerte sich an Uathach, und jetzt sah er ihn wieder, und die Erinnerung, so bedrohlich sie auch war, stand der Wirklichkeit bei weitem nach. Im Licht der untergehenden Sonne begegnete Diarmuid auf seinem schnellen, klugen Pferd in jenem Ödland zwischen den Heeren, im Donner der Hufe und dem erschütterten Zusammenprall der Schwertklingen einem Feind, der viel mehr war, als dass ein sterblicher Mensch ihm hätte widerstehen können.
    Der Urgach war zu groß und trotz seiner gewaltigen Masse zu unbezähmbar schnell. Und er war intelligenter, als irgendein Geschöpf dieser Art jemals sein könnte, wenn er nicht im Inneren der Festung von Starkadh irgendwie verändert worden wäre. Außerdem, darüber hinaus war auch der Slaug selbst schon ein tödlicher Schrecken. Unablässig suchte er das Fleisch von Diarmuids Pferd, um es mit seinem gekrümmten Horn aufzureißen, und da er auf vier Beinen lief und mit den anderen ausschlug, war es für Diarmuid zu gefährlich, viel mehr zu tun, als ihm auszuweichen, denn er musste befürchten, dass sein eigenes Reittier durchbohrt oder zertrampelt würde und er hilflos auf dem dürren Grund zurückbliebe. Und weil er nicht im dichten Abstand kämpfen konnte, vermochte er mit seinem schmalen Schwert Uathach auch kaum zu erreichen … er selbst aber war für das riesige schwarze Schwert des Urgach ein gefährlich leichtes Ziel.
    Neben Dave stand Levon dan Ivor. Sein Gesicht war weiß in all seiner Niedergeschlagenheit, als er das Drama dort unten beobachtete. Dave wusste, wie verzweifelt Levon den Tod dieses Geschöpfes ersehnt hatte und wie eisern Torc, der sonst nichts fürchtete, was Dave kannte, darauf bestanden hatte und Levon unter Eid dazu verpflichtet hatte, nicht allein mit Uathach zu kämpfen.
    Dass er das nicht tun solle, was Diarmuid jetzt tat.
    Und trotz des Schreckens, mit dem er jetzt konfrontiert war, führte Diarmuid diesen Kampf mit einer scheinbaren Anmut, in der irgendwie die unberechenbare, blitzende Intelligenz dieses Mannes eingewoben war. So plötzlich waren seine Richtungsänderungen, so plötzlich hielt er an oder stürmte er los … und das Pferd schien eine Verlängerung seines Geistes zu sein … dass es ihm zweimal kurz nacheinander gelang, dem Horn des Slaugs zu entgehen und einige brillante Schläge gegen Uathach zu führen.
    Aber dieser parierte sie mit einer rohen Gleichgültigkeit, die einem Beobachter fast das Herz brechen konnte. Und beide Male ließ sein donnernder Gegenschlag Diarmuid im Sattel zurückwanken, er konnte die Angriffe nicht parieren, ohne durch und durch erschüttert zu werden. Dave wusste es: Er erinnerte sich an seinen ersten Kampf mit einem Urgach, damals in der Dunkelheit des Faelinnhaines. Nachdem er einen dieser Schläge abgeblockt hatte, war er zwei Tage lang kaum fähig, seinen Arm zu heben. Und das Ungeheuer, dem er gegenüber gestanden hatte, war im Vergleich zu Uathach wie der Schlaf zum Tod.
    Aber Diarmuid saß noch immer fest im Sattel, er suchte noch immer nach einer Lücke für sein Schwert und drehte sich auf seinem tapferen Ross so nahe neben dem Slaug in Bögen und Halbkreisen, die in verwirrender Unberechenbarkeit darauf abzielten, um Haaresbreite dem Schwert und dem vernichtenden Horn zu entgehen und gleichzeitig einen Winkel zu finden, einen Eingang, eine Lücke, wo er im Namen des Lichtes eindringen konnte.
    »Götter, wie kann er doch reiten«, flüsterte Levon, und Dave wusste, dass es keine Worte gab, mit denen ein Dalrei ein höheres und heiligeres Lob hätte aussprechen können. Und es stimmte, es war die Wahrheit, eine blendende und strahlende Wahrheit: Was sie beobachteten, war die Darbietung eines ruhmvollen Kampfes, während die Sonne im Westen unter den Horizont sank.
    Und dann wurde es plötzlich noch mehr: Denn wieder lancierte Diarmuid einen Sensenhieb gegen Uathachs rechte Flanke, und wieder stach er von unten gegen das Herz des Ungeheuers. Wieder blockierte der Urgach den Hieb, der ihn schon fast erreicht hatte, und wieder krachte sein Gegenschlag genau wie zuvor herab, wie ein eiserner Baum, der nach unten fiel. Diarmuid fing ihn mit seiner Klinge auf, er wankte im Sattel. Aber diesmal ließ er den Schwung für sich arbeiten, riss sein Pferd hoch und nach rechts und ließ sein glänzendes Schwert nach unten sausen, um

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