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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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der ganzen Linie raue, wilde Triumphschreie aus. Doch Kim kümmerte sich nicht darum, sie blickte noch hinter die geschwärzte Linie der vom Feuer geschwärzten Erde, die den Flug des Drachen markierte. Weit, weit im Norden richtete Kim ihre Augen auf einen Ort, der ihr nur in einer Vision erschienen war, die Eilathen ihr vor so langer Zeit gewährt hatte. Sie blickte auf Starkadh.

 
Kapitel 16
     
    Das Lachen hatte ihn erschreckt. Darien verbrachte eine kalte, unruhige Nacht, durchzogen von Träumen, an die er sich nicht erinnern konnte, als der Morgen graute. Mit der Sonne kam auch etwas Wärme. Selbst hier, in den nördlichen Regionen, war es Sommer. Aber er war noch immer furchtsam und unentschlossen, nun, da er das Ziel seiner Reise erreicht hatte. Als er sein Gesicht im Fluss waschen wollte, stellte er fest, dass das Wasser ölig war, und außerdem biss ihn etwas in den Finger, so dass das Blut rann. Schleunigst wich er zurück.
    Er zögerte lange, verbarg sich unter der Brücke und mochte sich nicht bewegen. Denn wenn er sich von der Stelle rührte, dann würde es so etwas Entscheidendes, Endgültiges sein. Es war seltsam und unheimlich still. Der Ungarch strömte träge und lautlos dahin. Abgesehen von diesem unbekannten Irgendwas, das ihn gebissen hatte, war nirgends ein Lebenszeichen. Jedenfalls nicht, seit der Drache, eine schwarze Gestalt in aller Schwärze, nach Süden gezogen war und seit er das Lachen seines Vaters gehört hatte.
    Selbst an einem Hochsommermorgen gab es keinen Vogelgesang, es war ein öder, verlassener Ort, und auf der anderen Seite des Flusses standen die Türme seines Vaters, sie forderten den Himmel heraus, sie waren so schwarz, dass sie das Licht zu schlucken schienen. Aus irgendeinem Grund war es bei Tageslicht noch schlimmer. Es gab keine Dunkelheit mehr, die das bedrückende Gefühl, das von Starkadh ausging, hätte abstumpfen können. Mit seinen riesigen, grob behauenen aufeinander geschichteten Steinen war es die Festung eines Gottes, leer und gesichtslos, mit Ausnahme einiger gesichtsloser Fenster, die oben in der Mauer verstreut waren. Darien kauerte unter der Brücke und blickte auf den Weg, der zu den Eisentoren hinaufführte, in sich spürte er die Angst wie ein lebendes Tier.
    Er versuchte, sie zu meistern, versuchte, aus der Erinnerung an Finn, seinen Bruder, der mit diesem Schrecken zu tun gehabt hatte, Kraft zu ziehen. Es gelang ihm nicht. Wie sehr er sich auch bemühte, er konnte sich Finn an diesem Ort nicht einmal vorstellen. Genauso ging es ihm auch, als er sich bemühte, aus der Erinnerung an Lancelot im Heiligen Hain Mut zu schöpfen. Auch das half nicht, es konnte die Angst nur überlagern, die Angst aber wich nicht. So blieb er hier, einsam und verängstigt, und die ganze Zeit griff er, ohne es zu merken, mit der Hand an seinen Kopf und streichelte den leblosen Edelstein auf seiner Stirn. Die Sonne stieg höher, im Osten schimmerte der Rangat, ganz oben am Gipfel strahlten seine Hänge blendend weiß, ehrfurchtgebietend und unzugänglich. Darien wusste nicht, warum, aber nachdem er auf den Berg geblickt hatte, bemerkte er, dass er aufgestanden war.
    Er kam aus seinem Versteck hervor und stand nun unter offenem Himmel in strahlender Sonne, und er setzte seinen Fuß auf die Valgrindbrücke. Es schien ihm, als werfe die ganze Welt in einem Umkreis von vielen Meilen das Echo seines Schrittes zurück. Er hielt mit pochendem Herzen inne und wurde sich dann klar, dass es nicht so war. Der Klang war ebenso schwach und dünn wie er selbst. Und das Echo wurde nur in den Kammern seines Geistes verstärkt.
    Er ging weiter, überquerte den Ungarch und stand schließlich vor den Toren von Starkadh. Er wurde nicht gesehen, obwohl er in dieser bleichen, flachen Landschaft vollkommen ungeschützt war: ein Junge, in einem zwar wunderschön gestrickten, aber schlecht sitzenden Pullover, der einen Dolch in seiner Hand trug und dessen blondes Haar durch ein Diadem auf seiner Stirn zurückgehalten wurde. Seine Augen waren sehr blau im Sonnenlicht.
    Einen Augenblick später wurden sie rot, und dann war der Knabe verschwunden. Eine Eule, so weiß wie der geschmolzene Schnee, flatterte geschwind nach oben und landete auf dem schmalen Sims eines Fensterschlitzes auf halber Höhe der Festung Starkadh. Wäre das beobachtet worden, hätte man sicherlich Alarm geschlagen. Aber niemand sah es, es gab keine Wächter. Wozu wären an diesem Ort jemals Wachposten nötig gewesen?
    In seiner

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