Das Kind des Schattens
ermüden, ging er nach oben, erklomm eine der gewundenen Stiegen nach der anderen. Er wollte laufen, zwang sich aber, langsam zu gehen, damit er würdig mit seinem Geschenk ankäme und alles darböte, was er war. Selbst die grünen Lichter an den Wänden schienen nicht mehr so kalt oder fremd zu sein.
Er war Darien dan Rakoth und kehrte nach Hause zurück.
Er wusste genau, wohin er gehen musste. Während er nach oben stieg, wurde die Aura, das Kraftpotential seines Vaters, mit jedem Schritt stärker. Dann hielt Darien an der Wendung einer Treppe inne, es war fast die letzte.
Eine rumpelnde Erschütterung rollte über die Erde nach Norden und ließ die Grundfeste von Starkadh erzittern. Und einen Augenblick später kam von oben ein Schrei, ein wortloses Schnarren von vereiteltem Verlangen, von verzehrender Wut. Zu riesig, zu grausam war dieses Geräusch, es war schlimmer als das Gelächter gewesen. Dariens aufkeimende Hoffnung begann vor dem Hass in diesem Schrei zu wanken.
Er stand reglos, keuchte, versuchte den Schrecken, der in Wellen über ihn hinrollte, zu unterdrücken. Seine Kraft war noch immer bei ihm. Er wusste, was geschehen war. Der Drache war tot. Nichts anderes in Fionavar hätte die Erde so erschüttern können, das Beben der Festungsmauern hielt noch lange an.
Dann verging es, und wieder herrschte Schweigen, diesmal eine andere Art von Schweigen. Darien stand wie angewurzelt, und in seinem Geist blühte ein neuer Gedanke auf, der aus einsamer Hoffnung geboren war: Er wird mich jetzt umso mehr brauchen! Der Drache ist verloren!
Er setzte seinen Fuß auf die letzte Treppe, und im selben Augenblick spürte er, wie der Hammer eines Gottes auf sein Bewusstsein niederdonnerte. Und mit dem Hammer erklang eine Stimme. Komm! hörte Darien. Dieses Geräusch wurde zu seinem Universum, es vernichtete alles andere. Ganz Starkadh hallte davon wider. Ich weiß, du bist da, ich will dein Gesicht sehen.
Er wollte ja dorthin gehen, er hatte es ja vorgehabt, aber jetzt gehorchten seine Füße nicht mehr seinem Willen. So sehr er sich auch bemühte, er hätte nicht widerstehen können, trotz all seiner aufsteigenden Kraft. Mit bitterster Selbstironie erinnerte er sich an seine eigene Anmaßung vor nur wenigen Augenblicken: Er hatte gedacht, er sei Maugrim ebenbürtig.
Und mit dieser Feststellung beschritt er die letzte Treppe von Starkadh und trat nun in einen riesigen Raum hinaus, der ringsum von Glas umschlossen war, obwohl er von draußen ebenso schwarz wie alle anderen Mauern gewirkt hatte. Dariens Bewusstsein sprang und drehte sich, schwindelnd, als er dieses Fenster sah.
Er sah die Schlacht in Andarien.
Jenseits dieser hohen Fenster von Starkadh lag das Schlachtfeld fern im Süden zu seinen Füßen. Es war, als flöge er darüber, und einen Augenblick später erkannte er, dass es wirklich so war. Durch irgendeinen magischen Kunstgriff, den auszuloten er nicht einmal versuchen konnte, zeigten die Fenster das, was die Schwäne, die über Andarien kreisten, sahen. Und die Schwäne waren die Augen von Maugrim.
Und Maugrim war hier. Und nun zuletzt wandte er sich an diesem Ort seiner Macht zu Danen um. Er war riesig und unaussprechlich mächtig. Er war Rakoth Maugrim, der Entwirker, der von außerhalb der Mauern der Zeit, von jenseits der Hallen des Webers in die Welten eingetreten war, obwohl kein Faden auf dem Gewebe seinen Namen trug. Gesichtslos wandte er sich vom Fenster ab und dem Ankömmling zu, der es gewagt hatte, bis hierher vorzudringen, und Darien zitterte am ganzen Leib und wäre zu Boden gefallen, wenn sein Körper nicht durch Maugrims roten Blick aufrechtgehalten worden wäre.
Er sah, wie das Blut schwarz und dampfend aus dem Stumpf hervortropfte, wo die Hand seines Vaters hätte sein sollen. Dann wurde der Hammer, den er zuvor verspürt hatte, verschwindend geringfügig gegen das, was er nun empfinden musste: Durch die bohrende Wissensbegierde des Entwirkers wurde sein Bewusstsein durch und durch erschüttert. Er konnte sich weder bewegen noch sprechen. Der Schrecken saß wie ein krallenbewehrtes Tier in seiner Kehle. Er war von Rakoths Willen vollkommen umfangen, dieser Wille war überall, er trieb und schlug gegen die Tore seines Seins. Er forderte, dass er sich unterwerfen solle, und hämmerte immer und immer wieder nur eine Frage, bis Darien glaubte, er würde wahnsinnig werden.
Wer bist du? schrie sein Vater lautlos und unablässig und trommelte gegen alle Einlasse zu Dariens Seele. Es
Weitere Kostenlose Bücher