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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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näherte. In ihrem Gesicht stand ein sanftes Leuchten, aber es verbarg nicht die Tiefe der Quelle des Schmerzes in ihren Augen. Noch bevor jemand sprechen konnte, dämmerte Dave das Verständnis der Geschehnisse herauf.
    »Es war Darien«, behauptete Kim, die ebenfalls näher kam. »Aber ich weiß nicht wie. Ich wünschte, ich wüsste es.«
    »Ich auch«, sagte Teyrnon, »aber ich konnte nicht weit genug sehen, um die Geschehnisse dort zu beobachten.«
    »Ich schon«, ließ sich ein Dritter sehr sanft und sehr klar vernehmen. Alle wandten sich Gereint zu. Und es war der alte, blinde Schamane von der Ebene, der Dariens Sterbewunsch Stimme verlieh.
    In dem weichen Licht und dem tief gewobenen Frieden, der nun eingetreten war, erklärte er: »Ich wusste, es gab einen Grund, weswegen ich mit Tabor fliegen musste. Das war es. Zwar konnte ich am Kampf nicht teilnehmen, aber ich war weit genug im Norden, um mein Bewusstsein nach Starkadh hineinzuschicken.« Er hielt inne und fragte sanft: »Wo ist die Königin?«
    Einen Augenblick lang war Dave verwirrt, aber Jennifer antwortete: »Hier, Schamane.«
    Gereint wandte sich in die Richtung, aus der ihre Stimme gekommen war. Er beschied ihr: »Er ist tot, meine Herrin. Es tut mir leid, sagen zu müssen, dass das Kind tot ist. Aber durch das Geschenk meiner Blindheit konnte ich sehen, was er getan hat. Er hat sich zu allerletzt für das Licht entschieden. Lisens Diadem ist auf seiner Stirn aufgeleuchtet, und er warf sich auf ein Messer, und er starb auf eine Weise, dass Maugrim mit ihm sterben musste.«
    »Lökdal!« hei Kim aus. »Natürlich. Rakoth tötete ohne Liebe, und deshalb starb er. O Jen! Du hattest eben doch recht. Du hattest so schrecklich recht.« Sie brach in Tränen aus, und Dave sah, dass Jennifer Lowel, die Guinevere war, jetzt ebenso, wenn auch lautlos, weinte.
    Sie weinte in Trauer um ihr Kind, das den dunkelsten Weg eingeschlagen und jetzt schließlich allein und so fern das Ende dieses Weges erreicht hatte.
    Dave beobachtete, wie Jaelle, die Hohepriesterin, die sich jetzt nicht mehr so kühl und arrogant benahm – es zeigte sich selbst in der Art, wie sie sich bewegte –, hinüberging, um Jennifer zu trösten, sie in ihren Armen zu halten.
    So viele Dinge kämpften um einen Platz in seinem Herzen: Freude und Müdigkeit, tiefer Kummer, Schmerz und unendliche Erleichterung. Er drehte sich um und lief den Abhang des Hügels hinab, umrundete den südlichen Rand des Schlachtfeldes, auf dem das Licht verlieren sollte und verloren hätte, wäre nicht Jennifers Kind gewesen, Guineveres Kind.
    Er war an vielen Stellen verwundet und allmählich erreichte ihn die Erschöpfung. Zum zweiten Mal an diesem Tag dachte er an seinen Vater, nun da er am Rande des Schlachtfeldes stand und auf die Toten blickte.
    Aber einer von ihnen war nicht tot.
     
    Würde ihn seine alte Entfremdung niemals verlassen, fragte sich Paul, selbst hier nicht? Selbst jetzt nicht, in dem Augenblick, wo die Türme der Finsternis in sich zusammenfielen? Würde er sich denn immer weiter so fühlen müssen?
    Und die Antwort seines Bewusstseins erfolgte in Form einer Gegenfrage: Welches Recht hatte er überhaupt, danach zu fragen?
    Durch Mörnirs Gnade war er noch am Leben. Er war zum Sommerbaum gegangen, um zu sterben, er war von dem alten König Ailell dazu bestimmt gewesen, ihn zu vertreten. Und dieser König hatte ihm während eines Schachspiels, das Jahrhunderte zurückzuliegen schien, von dem Preis erzählt, den man für die Macht bezahlen musste.
    Er hatte eingewilligt zu sterben, aber er war zurückgeschickt worden. Er war noch immer am Leben: zweimal geboren. Er war der Herr des Sommerbaums und hatte tatsächlich einen Preis für seine Macht zu zahlen. Er war gezeichnet und dazu bestimmt, allein zu sein. Und während rings um ihn ruhige Freude und ruhiger Kummer miteinander verschmolzen, spürte Paul in sich das Vibrieren seiner Macht, wie er es nie zuvor erlebt hatte. Noch etwas anderes würde geschehen. Es war noch etwas im Kommen. Nicht der Krieg, damit, wie mit so vielen anderen Dingen, hatte Kim recht gehabt. Seine Macht war nicht die Macht des Krieges, niemals war es so gewesen. Er hatte sich sehr bemüht, sie in dieser Weise zu nutzen, den Kampf durch sie zu beeinflussen, aber von Anfang an hatte er nur die Stärke des Widerstandes, der Gegnerschaft, der Ablehnung der Finsternis in sich gefühlt. Er war ein Werkzeug der Verteidigung, nicht des Angriffes. In seiner Existenz selbst war er

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