Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
Vom Netzwerk:
von Glühwürmchen im Nebel des Llychlynmoores und nach allen Lichtern, die nicht wärmten und trösteten, sondern nur von Schutz erzählten, die jemand anders an einem anderen Ort empfand.
    Dann verstummte der Klang des Hornes, und die Bilder schwanden hinweg. Galadan ließ das Horn sinken. Auf seinem Gesicht stand Verblüffung. Ungläubig fragte er sich: »Ich habe es gehört. Wie konnte ich Oweins Horn hören?«
    Niemand antwortete ihm, niemand sprach. Sie blickten zum Himmel hinauf. Und in diesem Augenblick kamen Owein und die Schattenkönige der Wilden Jagd herbei, und vor ihnen allen ritt das Kind auf der fahlen Iselen und zog ein tödliches Schwert aus der Scheide. Dieses Kind war Finn dan Shahar gewesen.
    Jetzt war es der Tod.
    Sie hörten, wie Owein in wilder, chaotischer Ekstase schrie. Sie vernahmen das Stöhnen der sieben Könige. Sie sahen, wie sie über das Licht der Sonne hinzogen, wie Dampf, wie Rauch.
    »Owein, halt an«, schrie Arthur Pendragon mit all der klirrenden Befehlsgewalt, die seine Stimme auszudrücken imstande war. Aber Owein kreiste über seinem Kopf und lachte. »Du kannst mich nicht binden, Krieger! Wir sind frei, wir haben das Kind, die Zeit ist gekommen, die Wilde Jagd kann reiten!«
    Und schon stürzten die Könige nach unten, unbezähmbar vernichtend, unverletzlich, sie waren der chaotische Zufallsfaden im Gewebe. Schon schienen ihre Schwerter blutig zu leuchten. Sie würden immer weiter reiten und töten, bis nichts mehr zu töten übrig war.
    Aber noch in diesem Augenblick bemerkte Kim, wie sie schwankten, wie sie ihre Pferde aus Rauch und Dunst in ihrem Sturz zu zügeln versuchten. Sie hörte, wie sie ihre Geisterstimmen in klagender Verwirrung erhoben, und sie sah, dass das Kind nicht mehr bei ihnen war, als sie nach unten stürzten. Finn schien in größter Not und Bedrängnis zu sein, sein bleiches Pferd schlug nach vorne und hinten aus und bäumte sich im rötlichen Licht des Sonnenuntergangs wild auf. Er rief etwas. Kim konnte es nicht verstehen, sie wusste nicht, was geschah.
     
    Leila schrie. Sie stand im Tempel und hörte den Klang des Hornes. Er explodierte in ihrem Gehirn. Sie konnte kaum einen Gedanken bilden, aber dann verstand sie. Und wieder schrie sie voller Angst und Entsetzen auf, und die Verbindung entstand ein zweites Mal.
    Plötzlich erschien das Schlachtfeld vor ihrem inneren Auge. Sie war im Himmel über Andarien. Jaelle, der Großkönig, Guinevere, sie alle standen dort unten auf dem Bergrücken. Aber sie blickte zum Himmel auf und sah, dass die Wilde Jagd erschien: Owein und die tödlichen Könige und das Kind, und das Kind war Finn, den sie liebte.
    Sie schrie ein drittes Mal laut im Tempel auf, und mit der intensivsten Kraft ihrer Geiststimme schickte sie ihre Botschaft in den Himmel weit dort oben im Norden:
    Finn, nein! Geh weg! Ich bin Leila! Töte sie nicht! Geh weg! Sie sah, dass er zögerte und sich ihr zuwandte. Ihr ganzes Bewusstsein war zersplittert und von grellem Schmerz erfüllt. Sie fühlte sich wie in Fetzen zerrissen. Er blickte auf sie, und sie konnte aus seinen Augen lesen, wie fern er war, wie sehr ihrer Reichweite entrückt.
    Zu fern. Er antwortete nicht einmal. Er wandte sich von ihr ab. Sie hörte, wie Owein den Krieger verspottete, sie beobachtete, wie die Himmelskönige ihre brennenden Schwerter zogen. Rings um sie war Feuer, am Himmel und auf den Tempelmauern war Blut. Finns weißes Schattenroß bleckte die Zähne gegen sie und trug Finn hinweg.
    Leila riss sich verzweifelt los, bemerkte nicht einmal, wer sie festzuhalten versuchte. Shalhassan taumelte zurück. Er sah, wie sie voranschritt, stolperte und fast zu Boden fiel. Doch sie richtete sich wieder auf, erreichte den Altar und ergriff die Axt. »Im Namen der Göttin, nein«, kreischte eine der Priesterinnen vor Schrecken hinter vorgehaltener Hand.
    Leila hörte sie nicht. Sie schrie, und sie war weit entfernt. Sie hob Danas Axt, die nur die Priesterin emporheben durfte. Sie riss diesen Gegenstand der Macht hoch über ihren Kopf und ließ ihn krachend, donnernd, widerhallend auf den Altarstein herabsausen. Dabei schrie sie wieder laut, wuchs mit der Kraft der Axt, mit Danas Kraft, kletterte wie auf eine mächtige Mauer, um in ihrer Geiststimme den Befehl zu schleudern:
    Finn, ich befehle es dir. Im Namen von Dana, im Namen des Lichtes! Geh weg. Komm jetzt zu mir nach Paras Derval.
    Sie fiel im Tempel auf die Knie und ließ die Axt fallen, und sie beobachtete den Himmel über

Weitere Kostenlose Bücher