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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Sein Atem war flach und mühsam, aus seinen Mundwinkeln rann das Blut. Jaelle hob den Rand ihres Ärmels und wischte es weg.
    Bei dieser Berührung öffnete Finn seine Augen. Es war ihr klar, dass er sie erkannte.
    Sehr sorgsam und so deutlich, wie sie nur konnte, beantwortete Jaelle die Frage, die sie aus seinen Augen las: »Die Jagd ist verschwunden. Einer von den Paraiko ist gekommen und hat sie wieder zurückbeschworen in die Höhle … er hat den Spruch von neuem ausgesprochen, der sie dort zur Ruhe legt.«
    Sie sah, dass er nickte. Es schien, dass er verstanden hatte. Er musste es ja verstehen, erkannte Jaelle. Er war ja mit der Wilden Jagd eins gewesen. Aber jetzt war er nur mehr ein Junge, sein Kopf lag im Schoß seines Vaters, bald würde er sterben.
    Aber seine Augen waren noch immer offen. Er fragte so leise, dass sie sich bücken musste, um es zu hören: »War es denn richtig, was ich getan habe?«
    Sie bemerkte, wie Shahar einen kleinen Laut tief in seiner Brust unterdrückte und weinend antwortete: »Es war mehr als richtig, Finn. Du hast alles sehr gut gemacht, alles. Gleich von Anfang an.« Sie sah, dass er lächelte. Wieder rann Blut aus seinem Mund, wieder wischte sie es mit ihrem Ärmel ab. Er hustete und setzte von neuem an: »Weißt du, sie wollte mich nicht abwerfen.« Jaelle brauchte einen Augenblick um zu verstehen, dass er seine Stute meinte. »Sie hatte Angst«, vermutete Finn. »Sie war nicht daran gewöhnt, so fern von den anderen zu fliegen, sie hatte einfach nur Angst.«
    »O mein Kind«, bat Shahar mit belegter Stimme. »Spare deine Kraft.«
    Finn griff nach der Hand seines Vaters. Er schloss die Augen und atmete langsamer. Jaelles Tränen liefen immer weiter ihre Wangen herab. Dann öffnete Finn wieder die Augen.
    Er blickte sie an und flüsterte: »Wirst du Leila sagen, dass ich sie gehört habe, dass ich zu ihr kommen wollte?«
    Jaelle nickte, blind vor Tränen. »Ich glaube, sie weiß es, aber ich werde es ihr ausrichten, Finn.«
    Daraufhin lächelte er. In seinen braunen Augen lag viel Kummer, aber auch ein ruhiger Friede. Lange Zeit schwieg er, da die Kraft ihn allmählich verließ, aber er hatte noch eine weitere Frage, und die Hohepriesterin wusste, dass es die letzte war. »Dan?«
    Diesmal bemerkte sie, dass sie nicht antworten konnte. Ihre Kehle war vor Kummer vollkommen zugeschnürt.
    An ihrer Stelle sprach Paul. Mit unendlichem Mitgefühl versicherte er: »Auch er hat alles richtig gemacht, Finn. Alles. Er ist tot, aber er hat Rakoth Maugrim getötet, bevor er selbst starb.«
    Finns Augen weiteten sich, als er es hörte … zum letzten Mal. Freude blitzte in ihnen auf, dann ein bitterer Schmerz, aber am Ende kehrte der Friede, ein Friede ohne Grenzen an der Schwelle der Dunkelheit zurück. »O mein Kleiner«, hauchte er, und dann starb er mit der Hand seines Vaters in der seinen.
     
    In späteren Tagen entstand eine Sage, vielleicht deshalb, weil so viele, die jene Zeit durchlebt hatten, sie sich wünschten. Es war die Geschichte, wie Dariens Seele, die einige Zeit vor der seines Bruders auf die Reise gegangen war, in der Zeitlosigkeit zwischen den Sternen hatte innehalten und auf Finn warten dürfen.
    Und dann erzählte die Geschichte, wie die beiden über die Mauem der Macht, die alle lebenden Welten umgeben, in die strahlende Helligkeit in den Hallen des Webers hinüberwechselten. Und Dariens Seele zeigte die Form, die er damals als Dari hatte, und die Augen seiner Seele waren blau, und Finns Augen waren braun, als sie Seite an Seite zum Licht wanderten.
    So verlautet die Legende, die später aus der Trauer und dem Verlangen des Herzens geboren wurde.
    An jenem Tag aber erhob sich Jaelle, die Hohepriesterin, von Finns Seite, und sie sah, dass die Sonne im Westen den Nachmittag schon zur Dämmerung führte.
    Dann richtete sich auch Pwyll auf und Jaelle blickte zu ihm hin und wurde gewahr, dass in seinem Antlitz die Macht so tief und so deutlich geschrieben stand, dass sie Angst bekam.
    Und nun sprach er wieder als der Herr vom Sommerbaum, der Zweimalgeborene Mörnirs: »Nach all dem Gram und all den Freuden dieses Tages«, ließ sich Pwyll vernehmen, »ist noch eines zu tun, und ich glaube, dass es meine Aufgabe ist.«
    Er schritt langsam an ihr vorbei, und sie wandte sich um und sah im Licht der untergehenden Sonne, dass sich auf der Ebene alle um Galadans Gestalt gesammelt hatten. Sie standen bewegungslos wie Statuen oder Figuren, die in der Zeit erstarrt waren.
    Sie

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