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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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wieder wird es zum Schlachtfeld.« In seiner Stimme schwang bittersüße Traurigkeit, schwebten Erinnerungen und Echos von Musik.
    Aileron äußerte sich nicht und wartete. Als nächstes sprach Mabon von Rhoden, er erhob sich ein wenig auf seinem unverletzten Arm. »In deinen Worten ist Verstand, Aven, aber nicht mehr oder weniger Verstand, als wir heute wohl in jedem anderen Plan auch finden würden. Allerdings wäre ich sehr glücklich, wenn uns auch Loren oder Gereint oder unsere eigene Seherin ihren Rat wissen ließen.«
    »Wo sind sie, wo ist Gereint und wo die Seherin? Können wir sie nicht jetzt hierher bringen, vielleicht mit den Raithen?« Es war Tulger vom achten Stamm, der diese Frage stellte. Ivor blickte auf seinen alten Freund, der Kummer stand tief in seinen Augen.
    »Gereint hat seinen Körper verlassen. Er ist auf einer Seelenreise, er hat uns nicht gesagt, warum. Die Seherin ist in die Berge von Gwen Ystrat gegangen. Auch von ihr weiß ich nicht, warum.« Er blickte auf Aileron.
    Der Großkönig zögerte. »Wenn ich euch den Grund nenne, darf nichts davon nach außen dringen. Es gibt schon genug Angst, wir müssen nicht noch mehr heraufbeschwören.« Und in das nun folgende Schweigen eröffnete er ihnen: »Sie ging, um die Paraiko in Kath Meigol zu befreien.«
    Kaum ein Laut. Einer schlug das Zeichen gegen das Böse, aber nur einer. Hier waren Häuptlinge und ihre Jagdführer versammelt, und es war Kriegszeit.
    »Leben sie noch?« wisperte Ra-Tenniel vorsichtig.
    »Ja, das hat sie gesagt«, erwiderte Aileron.
    »Weber am Webstuhl!« murmelte Dhira aus Herzenstiefe. Diesmal klang es nicht unpassend. Dave verstand zwar wenig, fühlte aber die Spannung im Raum wie eine umfangende Anwesenheit.
    »Dann können wir also auch die Seherin nicht erreichen«, fuhr Mabon grimmig fort. »Und wir müssen auf Grund deiner Worte davon ausgehen, dass wir sie, Gereint oder Loren vielleicht niemals wieder sehen werden. Wir müssen unsere Entscheidungen auf der Grundlage unserer eigenen Einsicht treffen, und deshalb habe ich nun eine Frage an dich, Aven.« Er machte eine Pause. »Welche Garantie haben wir, dass Maugrim sich in Andarien uns auch wirklich stellt, wenn wir dahin kommen? Könnte nicht sein Heer uns im Waldland von Gwynir umgehen, nach Süden vordringen und dort zerstören, was wir hinter uns gelassen haben, das Zentrum der Ebene hier? Die Dalreifrauen und -kinder? Gwen Ystrat? Ganz Brennin und Cathal, das offen vor ihm läge, wenn unser Heer so weit weg ist? Könnte er das nicht tun?« Alle schwiegen, und kurz darauf fuhr Mabon fast flüsternd fort: »Maugrim steht außerhalb der Zeit, er ist nicht auf dem Webstuhl gewirkt, er kann nicht getötet werden. Und mit dem langen Winter hat er uns gezeigt, dass er keine Eile hat, uns aufs Schlachtfeld zu führen. Würde er nicht triumphieren, würden nicht seine Befehlshaber frohlocken, wenn unser Heer sinnlos vor dem unbezwingbaren Starkadh warten würde, während die Svarts und Urgachs und Galadans Wölfe alles, was wir lieben, zerstören und vernichten?«
    Er hielt inne. Dave fühlte, wie ein Gewicht wie von einem Amboss auf seinem Herzen lastete. Das Atmen schmerzte ihn. Um sich zu beruhigen, warf er einen Blick auf Torc, aber Angst sprach aus seinem Gesicht, Angst stand auch in Ivors Zügen, und was irgendwie erschreckend war, auch im sonst undurchdringlichen Antlitz Ailerons.
    »Das müsst ihr nicht fürchten«, warf Ra-Tenniel dazwischen. So klar war seine Stimme, und Ivor dan Banor dachte, dass die Grenzen zwischen Klang und Licht, zwischen Musik und gesprochenem Wort für immer verschwammen. Der Aven wandte sich so verzweifelt hoffnungsvoll dem Herrn der Lios Alfar zu wie ein Verdurstender dem Wasser.
    »Fürchtet Maugrim«, sagte Ra-Tenniel, »das muss jeder, der sich selbst für klug hält. Fürchtet die Niederlage und die Herrschaft der Finsternis. Fürchtet auch die Vernichtung, die Galadan im Schilde führt, für die er immerfort kämpft.«
    Wasser, dachte Ivor, als diese wohlgemessenen Worte über ihn flossen, Wasser war es, und Kummer lag wie ein Stein am Grunde der Tasse.
    »Fürchtet alle diese Dinge«, fuhr Ra-Tenniel fort, »fürchtet, dass unsere Fäden vom Webstuhl gezerrt werden, dass unsere Geschichte totgesagt wird, dass der Plan des Webers entwirkt wird.« Er hielt inne. Es war Wasser in einer Zeit der Trockenheit, es war Musik und Licht.
    »Fürchtet jedoch nicht«, führte der Herr der Lios Alfar weiter aus, »dass er dem Kampf mit

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