Das Kind des Schattens
Valgrindbrücke ausgezogen war und in Richtung Celidon marschierte. In aller Schnelligkeit hatte er seine Wölfe zum östlichen Rand der Ebene hinabgeführt. Er hatte den Adein in der Nähe der Edrynschlucht ungesehen und unerwartet überquert und war dann gerade zur rechten Zeit am Schlachtfeld angekommen, um über die ungeschützte rechte Flanke der Dalrei herzufallen. Die Lios hatte er dort nicht erwartet, aber das war nur ein Grund zur Freude, eine Intensivierung des Vergnügens: Sie würden sie alle abschlachten.
Und so wäre es auch geschehen, wenn nicht plötzlich die wilde Jagd oben im Himmel ausgebrochen wäre. In dem ganzen Heer der Finsternis war er der einzige, der wusste, wer Owein war. Er allein hatte verstanden, was geschehen war, und er allein ahnte, was dem Schweigen zugrunde lag, welches das Toten beendete. Er allein in diesem ganzen Heer wusste, wessen Stimme es war.
Schließlich war er der Sohn ihres Bruders.
Vieles hatte er angleichen und einordnen müssen, und es drohte auch eine unmittelbare Gefahr. In diesem ganzen Pandämonium kämpfte ein kaum entstandener Gedanke, der wenig mehr war als das Streben nach einer Möglichkeit darum, in seinem Geist Gestalt anzunehmen. Und als ob dies alles nicht genug und mehr als genug gewesen sei, kam dann auch noch eine Intuition hinzu, der zu vertrauen er gelernt hatte, es war eine Schwingung in jenem Teil von ihm, der göttlich war, wo er Cernans Sohn war.
Als die kalte Wut des Kampfes verflogen und das Chaos der Flucht überwunden war, wurde Galadan immer deutlicher bewusst, dass im Reich des Waldes irgendein bedeutsames Ereignis stattfand.
Mit einem Male gab es sehr viel zu bedenken. Er brauchte Einsamkeit. Das brauchte er eigentlich immer, da es seinem alten Verlangen am nächsten war … Jetzt aber sehnte sich nicht nur seine Seele, sondern auch sein Verstand danach. Also entfernte er sich vom Heer, was im Schatten der Dämmerung nicht auffiel, und ritt allein, als das morgendliche Sonnenlicht ihn traf.
Kurz nach Sonnenaufgang hielt er an und blickte über die Ebene hin. Er fand sie ganz nach seinem Herzen. Mit Ausnahme der Staubwolke, die sich jetzt im Norden allmählich senkte, gab es kein Lebenszeichen, und um das ohnehin fühllose Gras kümmerte er sich nicht. Fast war es, als wäre das Ziel, um das er mehr als tausend Jahre gekämpft hatte, näher gerückt. Fast. Er lächelte dünn. Die Ironie lag nah am Zentrum seiner Seele und ließ ihn nicht lange träumen. Zu langwierig war der Kampf gewesen, zu tief hatte er sich eingefressen, als dass Träume auch nur im entferntesten angemessen sein konnten.
Er konnte sich an den genauen Augenblick erinnern, in dem seine Pläne Gestalt angenommen hatten, als er sich zum ersten Mal dem Entwirker zugesellt hatte; es war jener Augenblick, als Lisen aus dem Waldreich die Kunde in ganz Pendaran verbreiten ließ, dass sie ihr Schicksal mit einem Sterblichen verbunden und ihm ihre Liebe geschenkt hatte. Es war Amairgen Weißast.
An jenem Morgen hatte auch er sich im großen Wald befunden, mit all den großen Mächten von Pendaran wollte er feiern, dass dieser Mann für seine Anmaßung im Heiligen Hain erschlagen wurde.
Aber es war anders gekommen, alles war anders gekommen. Er war nach Starkadh gegangen, einmal und nur einmal, denn an jenem Platz war er, der bei weitem der mächtigste von den Andain war und sich darauf auch etwas zugute hielt, gezwungen worden, sich vor einer geradezu vernichtenden Machtfülle zu demütigen. Er war nicht einmal imstande gewesen, sein eigenes Denken vor Maugrim zu verbergen, und dieser hatte gelacht.
Er musste erkennen, dass er vollkommen durchschaut worden war und trotzdem nicht ohne Belustigung als Leutnant von den Mächten der Finsternis angenommen worden war. Obwohl Rakoth seine Ansichten genau kannte und auch wusste, wie sie sich von seinen, Rakoths eigenen Plänen unterschieden, schien das vollkommen unwichtig zu sein.
Lange Zeit waren ihre Pläne vereinbar gewesen, so hatte Galadan sich gesagt, und obwohl er wie auch alle anderen dem Entwirker bei weitem unterlegen war, konnte er vielleicht doch noch vor dem endgültigen Ende einen Weg finden, um die Welt, die Maugrim regieren würde, zu vernichten.
Er hatte Rakoth gut gedient. Er hatte das Heer befehligt, das vor so langer Zeit Conary am Sennettstrand abschnitt. In seiner Wolfsgestalt hatte er Conary selbst getötet, und er hätte diesen Kampf gewonnen und auch den Krieg, wenn nicht Revor von der Ebene auf
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