Das Kind des Schattens
führen?«
Unvermittelt strömte das Sonnenlicht durch das Fenster. Die quälende Frage des Aven hing im Raum, ebenso klar wie die Staubkörnchen in den schräg einfallenden Sonnenstahlen. »Dies ist richtig«, gestand Dhira ein zweites Mal ein. Er stolperte auf einen leeren Stuhl neben Mabons Strohlager zu. Dave wusste nicht, wie und warum, aber er erhob seinen Arm, um ihn zu stützen, dann aber sah er, dass Ra-Tenniel mit leicht beweglicher Anmut bereits an Dhiras Seite war und den betagten Häuptling zu seinem Sitz führte.
Als der Herr der Lios Alfar sich aber wieder aufrichtete, fiel sein Blick durch das Westfenster ins Freie. Einen Augenblick lang stand er regungslos, konzentrierte sich und rief dann: »Hört! Sie kommen!«
Dave fühlte sich anfänglich wie von Angst durchbohrt, doch der Tonfall war nicht warnend gewesen, und einen Augenblick später hörte auch er Geräusche und Rufe vom Westrand von Celidon. Und es waren Willkommensrufe.
Ra-Tenniel wandte sich mit leisem Lächeln an Ivor. »Ich bezweifle, dass die Raithen von Daniloth jemals zu deinem Volk kommen können, ohne einen Auflauf zu verursachen.«
Ivors Augen strahlten. »Ich wusste, dass es nicht möglich ist«, stimmte er zu. »Levon, kannst du ihre Reiter hierher bringen?«
Sie kamen ohnehin schon näher. Kurze Zeit später kehrte Levon zurück und mit ihm ein Mann und eine Frau von den Lios Alfar. Durch ihre Anwesenheit erschien die Luft im Raum heller als zuvor. Sie verbeugten sich vor ihrem Herrn.
Und trotzdem wurden sie kaum bemerkt.
Es war der dritte der Neuankömmlinge, der die Aufmerksamkeit aller im Raum Anwesenden voll beherrschte … selbst in der Gesellschaft der Lios Alfar. Wie alle war auch Dave jäh aufgesprungen.
»Leuchtend gewebt, Aven«, sagte Aileron dan Aillel. Sein braunes Kleid war fleckig und staubbedeckt, sein Haar verzottelt, und seine Augen versanken in tiefen Becken der Müdigkeit. Trotzdem hielt er sich sehr gerade, und seine Stimme war klar und beherrscht. »Selbst jetzt dichten sie draußen Lieder. Sie singen über den Ritt von Ivor, der das Heer der Finsternis nach Celidon drängte und es dort schlug und zurücktrieb.«
Ivor erwiderte: »Großkönig, wir haben Hilfe erhalten. Die Lios Alfar sind aus Daniloth gekommen. Und dann kam Owein aufgrund des Horns, das Davor trägt, und zuletzt half uns die Grüne Ceinwen, denn sonst wären wir alle gestorben.«
»All das habe ich gerade schon erfahren«, bestätigte Aileron. Er fixierte Dave mit einem kurzen scharfen Blick und wandte sich dann an Ra-Tenniel. »Gepriesen sei die Stunde, da wir uns treffen, Mylord. Wenn Loren Silbermantel, der mich als Kind unterrichtete, die Wahrheit sprach, dann hat sich noch kein Herr von Daniloth so weit aus dem Schattenland hervorgewagt, seit Ra-Lathen den Nebel vor tausend Jahren webte.«
Ra-Tenniel blickte ernst, seine Augen waren grau.
»Er hat die Wahrheit gesagt«, erwiderte er ruhig.
Es entstand ein kurzes Schweigen, dann erhellte sich Ailerons dunkles bärtiges Gesicht durch ein strahlendes Lächeln: »So sei denn willkommen, Herr der Lios Alfar!«
Ra-Tenniel erwiderte das Lächeln, aber, wie Dave sah, nicht mit seinen Augen. »Letzte Nacht wurden wir bereits willkommen geheißen«, murmelte er. »… von Svart Alfar und Urgach, von den Wölfen und Avaias Brut.«
»Ich weiß«, sagte Aileron und seine Stimmung änderte sich schnell. »Und von diesen Willkommensgrüßen werden wir noch mehr erleben. Ich glaube, wir alle wissen es.«
Ra-Tenniel nickte, ohne zu sprechen.
»Ich kam, sobald ich das Rufglas sah«, fuhr Aileron nach einer kleinen Pause fort. »Hinter mir folgt mein Heer, es wird morgen Abend hier sein. Als wir die Botschaft empfingen, war ich in Taerlindel.«
»Wir wissen es«, bestätigte Ivor. »Levon hat es berichtet. Ist die Prydwen losgesegelt?«
Aileron nickte. »Ja. Nach Cader Sedat. Mit meinem Bruder und dem Krieger, mit Loren, Matt und Pwyll.«
»Und mit Na-Brendel doch auch?« fragte Ra-Tenniel schnell. »Oder kommt er mit einem Heer?«
»Nein«, antwortete Aileron, als die beiden Lios Alfar sich hinter ihm bewegten. »Etwas anderes ist geschehen.« Dann wandte er sich überraschend an Dave und erzählte, was Guinevere gesagt hatte, als die Prydwen außer Sicht war, und was Brendel gesagt und getan hatte und wohin die beiden dann gereist waren. In dem nun folgenden Schweigen konnten sie den Lärm des Lagers durch das Fenster hören. Nun brachen die Dalrei, die sich um die Reiter
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