Das Kind des Schattens
haben mindestens noch einen Tag zu segeln vor uns, vielleicht noch mehr, je nach dem Wind und den Fähigkeiten unseres Steuermannes …« Er streifte Coll, der ohne Hemd am Steuerruder stand, mit einem flüchtigen Blick … »… dann erst werden wir Land sehen. Vielleicht haben wir nie wieder eine so günstige Gelegenheit zum Spiel. Mein Herr?«
Die letzte Frage war an Lancelot gerichtet, sie ging mit einem Schwertgruß einher, und das Schwert war in einer Weise aufgerichtet, dass die Sonne, die auf das Metall traf, in Lancelots Augen reflektiert wurde. Dieser lachte ungezwungen, erwiderte den Gruß und trat, sein eigenes Schwert ausgestreckt, zur Seite.
»Zur großen Ehre des Schwarzen Ebers!« rief Diarmuid laut, während die anderen pfiffen und sie anfeuerten. Er wirbelte seinen Degen mit einer Bewegung des Handgelenks und der Schulter.
»Für meine Herrin, die Königin«, erwiderte Lancelot automatisch. Dies verursachte unvermittelte Stille.
Paul blickte instinktiv zum Vordersteven, dort stand Arthur und blickte in die Richtung, in der das Land auftauchen würde. Er kümmerte sich nicht im geringsten um sie alle. Alsbald wandte sich Paul wieder zurück, denn die Klingen hatten sich rituell berührt und tanzten nun.
Er hatte Diarmuid nie mit einem Schwert gesehen. Er hatte die Geschichten gehört, die über beide Söhne Ailells umgingen, aber dies war seine erste unmittelbare Begegnung, und indem er beobachtete, verstand er noch besser, warum die Männer von der Südfeste ihrem Prinzen mit so unverbrüchlicher Treue folgten. Es war mehr als nur seine Phantasie und sein Ehrgeiz, der auf einem rauen Schiff im weiten Meer Augenblicke wie diesen herbeiführen konnte. Es war die einfache Wahrheit (in einem ausgesprochen komplexen Menschen), dass er bei allem, was er tat, einfach hinreißend gut war. Und das traf auch auf das Fechten zu, wie Paul nun erkennen konnte. Es überraschte ihn keineswegs.
Was ihn überraschte, war vielmehr, wie sehr der Prinz von der ersten Berührung der Klingen an kämpfen musste, um bestehen zu können. Später allerdings wunderte er sich auch darüber, weshalb er so wenig vorbereitet war.
Denn er hatte es mit Lancelot vom See zu tun, und niemand war jemals so gut gewesen wie er.
Der Mann, der zusammen mit den mächtigsten Toten aller Welten in einer Kammer unterm Meer gelegen hatte, zeigte der Besatzung der Prydwen, warum das so war. Er tat es mit derselben ökonomischen, fast abstrakten Präzision, mit der er zuvor mit seinem Schatten gefochten hatte.
Sie kämpften mit nackten Klingen und kämpften sehr schnell auf einem schwankenden Schiff. Für Pauls ungeübtes Auge lag in den Stößen und den sausenden Schlägen, mit denen sie sich begegneten, eine echte Gefahr. Er schaute an den schreienden Männern vorbei, blickte auf Loren und dann auf Coll und las in ihnen dieselbe Sorge. Er wollte schon dazwischentreten, er wusste, dass sie seinetwegen aufhören würden, aber während er noch daran dachte, wurde er sich seines eigenen, rasenden Pulses bewusst, er wurde sich bewusst, wie sehr Diarmuid ihn und sie alle in eine Stimmung versetzt hatte, die dem hohlen Schweigen, das noch vor einer Viertelstunde geherrscht hatte, vollkommen entgegengesetzt war. Er blieb, wo er war. Er bemerkte, dass der Prinz genau wusste, was er tat.
Auf vielerlei Arten. Diarmuid wich vor Lancelots verdecktem Angriff zurück, schaffte es, sich an einem Seil, das an Deck aufgewickelt war, festzuhalten. Genau im richtigen Augenblick machte er einen raschen Schritt zurück, ließ sich um das Gewinde schwingen, bückte sich tief und ließ einen Sensenschlag auf Lancelots Knie niedergehen, der ihn zum Krüppel hätte machen können.
Er wurde von einer Klinge abgeblockt, die sehr, sehr schnell zurückgezogen wurde. Lancelot stand auf und rief mit heller Freude in seinen dunklen Augen aus: »Bravo, Connla, gut gemacht!«
Diarmuid wischte sich mit seinem herabhängenden Ärmel den Schweiß aus den Augen und grinste gefährlich. Dann sprang er ohne Warnung zum Angriff vor. Einige schnelle Schritte lang wich Lancelot zurück, aber dann wieder begann sein Schwert in aller Schnelligkeit seiner Bewegung zu wirbeln, er preschte vorwärts und zwang Diarmuid zu der steilen Treppe zurück, die unter Deck führte.
Paul vergaß alles andere, vollkommen gefesselt sah er zu, wie der Prinz an Boden verlor. Er sah aber auch: Noch während Diarmuid parierend zurückwich, schossen seine Augen plötzlich weg von Lancelot, trafen
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