Das Kind des Schattens
Paul, der an der Reling stand, und blitzten über seine Schulter hinaus zum Meer. Noch während Paul sich umwandte, um festzustellen, was es war, hörte er den Prinzen schreien: »Paul! Pass auf!«
Die ganze Gruppe einschließlich Lancelot, drehte sich um und schaute zum Meer, und das gab Diarmuid die Gelegenheit, seine Klinge mühelos nach vorne schnellen zu lassen – das Täuschungsmanöver war gelungen –, doch da wurde sie ihm aus der Hand geschlagen, er musste sie fahren lassen, denn Lancelot erweiterte seine Drehung zu einer ganzen Pirouette, so dass er Diarmuid wieder ins Gesicht blickte, er ging in die Knie, und seine Waffe sauste mit der Kraft dieses vollen, blitzschnellen Bogens krachend gegen Diarmuids Degen und ließ ihn über das ganze Deck fliegen.
Es war vorüber. Einen Augenblick lang herrschte betäubtes Schweigen, dann brach Diarmuid in lautes Lachen aus, er trat nach vorne und umarmte Lancelot herzhaft, während die Männer von der Südfeste anerkennend grölten und schrien.
»Das war unfair, Lance«, ertönte nun eine Stimme, die reichlich amüsiert klang, »du hast diese Bewegung vorher gesehen. Er hatte keine Chance.« Arthur Pendragon war bis zur Hälfte des Decks herangekommen.
Paul hatte sein Kommen nicht bemerkt. Keiner von ihnen hatte es bemerkt. Sein Herz hob sich, als er das Lächeln auf dem Antlitz des Kriegers und das verständnisinnige Leuchten in Lancelots Augen sah, und wieder hieß er Diarmuid in seinem Innern willkommen.
Der Prinz lachte noch immer. »Eine Chance?« keuchte er atemlos. »Ich hätte ihn mit Seilen fesseln müssen, um eine Chance zu haben!«
Lancelot lächelte, er hatte Haltung bewahrt, wirkte beherrscht, doch nicht gezwungen. Er blickte zu Arthur hinüber. »Erinnerst du dich?« fragte er. »Fast hätte ich es vergessen. Auch Gawain hat es einmal versucht, nicht?«
»Ja, doch«, bestätigte Arthur noch immer amüsiert.
»Fast hätte es funktioniert.«
»Fast«, stimmte Arthur zu, »aber es ist ihm eben nicht gelungen. Gawain hat dich nie schlagen können, Lance. Sein ganzes Leben lang hat er es versucht.«
Und bei diesen Worten zog eine Wolke vorüber, obwohl der Himmel noch genauso blau, die Nachmittagssonne ebenso hell wie zuvor war. Arthurs kurzes Lächeln schwand dahin, dann wurde auch Lancelot ernst. Die beiden Männer sahen sich an, ihr Gesichtsausdruck wurde plötzlich unlesbar, beladen mit dem Gewicht der Geschichte. In der plötzlichen Stille auf der Prydwen drehte sich Arthur wieder um und ging, gefolgt von Cavall, zum Vordersteven zurück.
Mit einem schmerzhaften Ziehen im Herzen blickte Paul auf Diarmuid, und dieser erwiderte den Blick mit einem Gesichtsausdruck, der nun nicht mehr heiter war. Er würde es ihm später erklären, entschied Paul. Der Prinz konnte es nicht wissen: Niemand von den anderen, ausgenommen vielleicht Loren, konnte wissen, was Paul wusste.
Es war ein Wissen, das nicht von den Raben am Baum kam, sondern aus der Überlieferung seiner eigenen Welt: Gawain, ein Ritter von der Tafelrunde, hatte wirklich sein ganzes Leben lang versucht, Lancelot im Kampf zu besiegen. Es waren alles freundschaftliche Kämpfe gewesen, bis zum Ende, bis zu seinem Ende, das er aus Lancelots Hand erlitt. Das geschah in einem Krieg, den Arthur führen musste, nachdem Lancelot Guinevere davor gerettet hatte, in Camelot auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden.
Diarmuid hatte es versucht, dachte Paul traurig, es war ein tapferer Versuch. Aber das Schicksal dieser beiden Männer und der Frau, die auf sie wartete, war viel zu komplex gewoben, als dass ein freudvolles Gelächter es auch nur kurz hätte aufheben können.
»Macht eure Augen auf, ihr Faulpelze!« Colls klangvolle, prosaische Stimme durchbrach seine Gedanken. »Wir haben ein Schiff zu steuern, und das bedeutet noch ein gutes Stück Arbeit am Segel. Der Wind schlägt um, Diar!«
Paul schaute zurück nach Süden und Westen, in die Richtung, in die Colls ausgestreckter Arm zeigte. Die Brise war nun sehr stark geworden, bemerkte er, sie war während des Fechtens aufgekommen. Als er zurückblickte, konnte er mit einiger Anstrengung eine dunkle Linie am Horizont erkennen.
Und in diesem Augenblick fühlte er in seinem Blut die Ruhe, welche die Gegenwart von Mörnir kennzeichnete.
Jüngere Brüder sollten keine Luftwesen reiten, die über eine so ungezügelte Macht verfügten. Sie sollten nicht so sprechen oder so schauen wie Tabor nachts zuvor, als er sich anschickte, zu den Bergen
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