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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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keinem anderen konnte die Gefährlichkeit so vollkommen sein.
    Wortlos, denn diesem Augenblick konnten keine Worte angemessen sein, trat sie mit dem Diadem in ihren Händen nach vorne. Instinktiv wich er zurück, hob eine Hand, um sie zu schlagen. Dann aber senkte er seinen Arm, stand ganz still und erlaubte ihr, es auf seine Stirn zu setzen.
    Er war nicht einmal so groß wie sie. Sie musste sich nicht nach ihm strecken. Es war leicht, das goldene Band über sein goldenes Haar zu streifen und die feine Spange zu schließen. Es war leicht, es war geträumt worden, und es war getan. Und kaum, dass der Verschluss eingerastet war, verschwand das Licht des Diadems und ging aus.
    Ein Schrei entrang sich ihm, ein gequälter, wortloser Schrei. Der Raum war mit einemmal dunkel, nur das rote Glühen des Baelrath, das noch immer brannte, und das dünne Licht aus dem oberen Raum, das an der Treppe nach unten fiel, erleuchteten ihn.
    Und dann begann Darien zu lachen. Aber es war nicht das verlorene Lachen von vorher, es war ein hartes, schneidendes, unbeherrschtes Gelächter. »Er gehört mir?« schrie er. »Das Licht gegen die Finsternis? O du Närrin! Wie könnte der Sohn von Rakoth Maugrim ein solches Licht tragen? Wie könnte es jemals für mich scheinen?«
    Kim hielt sich die Hand vor den Mund. In seiner Stimme lag soviel ungezügelte Qual. Dann explodierte ihre Angst, sie verdoppelte sich, verdoppelte sich immer wieder, wuchs über jedes Maß hinaus, das sie jemals gekannt hatte, denn im Lichte des Kriegssteines sah sie, wie seine Augen rot aufleuchteten. Er machte eine rasche Handbewegung, weiter nichts, aber sie empfand sie wie einen Schlag, der sie zu Boden warf. Er schritt an ihr vorbei zum Kabinett an der Wand.
    Dort befand sich der letzte Gegenstand der Kraft, das Letzte, was Ysanne in ihrem Leben gesehen hatte. Kim lag hilflos zu seinen Füßen am Boden, und sie sah, wie Rakoths Sohn Lökdal, den Dolch der Zwerge, an sich nahm und ihn für sich beanspruchte.
    »Nein!« keuchte sie, »Darien, das Diadem ist für dich, der Dolch nicht. Du darfst ihn nicht nehmen, du weißt nicht, was er ist.«
    Wieder lachte er und zog die Klinge aus ihrer juwelenbedeckten Scheide. Ein Klang wie von einer Harfensaite erfüllte den Raum. Er blickte auf die blauschimmernde Schneide und sagte: »Das brauche ich auch nicht zu wissen. Mein Vater wird es wissen. Wie könnte ich ohne ein Geschenk zu ihm gehen, und was für ein Geschenk wäre dieser tote Stein von Lisen für ihn? Wenn sich das Licht schließlich ganz von mir abwendet, weiß ich wenigstens, wohin ich gehöre.«
    Schon war er an ihr vorbei und auf den Stufen, er kletterte hinauf und verschwand. Das Diadem war leblos auf seiner Stirn und Colans Dolch in seiner Hand.
    »Darien!« schrie Kim mit einer Stimme, die von tiefstem Kummer zeugte. »Er wollte, dass du tot sein solltest. Deine Mutter hat darum gekämpft, dass du geboren wurdest!«
    Keine Antwort. Schnelle Schritte überquerten den Fußboden über ihr, eine Tür öffnete und schloss sich wieder. Nun, da das Diadem weg war, hörte der Baelrath langsam auf zu funkeln, so dass es in dem Zimmer unter dem Cottage ganz dunkel war. In dieser Dunkelheit weinte Kim um den Verlust des Lichtes.
     
    Als die Reisegruppe eine Stunde später ankam, war sie wieder am See und tief in Gedanken versunken. Der Klang der Hufschläge erschreckte sie, sie erhob sich schnell, dann aber sah sie langes rotes Haar und Mitternachtsschwarz, und sie wusste, wer gekommen war, und war glücklich.
    Sie ging die Uferkrümmung entlang, um sie zu begrüßen. Vom ersten Tag an, an dem sie sich begegneten, war Sharra eine Freundin für sie gewesen, und so war es noch immer. Sobald ihr Pferd angehalten hatte, stieg sie ab und umschlang Kim in einer stürmischen Umarmung.
    »Hast du es getan?«
    Die Geschehnisse dieses Morgens waren noch so lebendig, dass Kim nicht bemerkte, dass Sharra über Kath Meigol sprach. Als die Prinzessin von Cathal sie zum letzten Mal gesehen hatte, schickte Kim sich an, in die Berge zu gehen. Es gelang ihr, zu nicken und ein wenig zu lächeln, obwohl es ihr schwer fiel. »Ja«, erwiderte sie. »Ich habe getan, was ich tun wollte.«
    Dabei beließ sie es für den Augenblick. Auch Jaelle war abgestiegen, sie stand ein wenig abseits, sie wartete. Wie immer sah sie kühl, zurückgezogen und furchteinflößend aus. Aber Kim hatte mit ihr am Vorabend von Maidaladan eine kurze Zeit im Tempel von Gwen Ystrat verbracht, und so ging sie

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