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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Atem, denn der Wolfsfürst wandte sich wieder an ihn und sprach diesmal laut und mit der höfischen Gewandtheit, die ihm immer zu eigen gewesen war. »Verzeih mir«, murmelte er und verbeugte sich seinerseits mit unbewußter Eleganz. »Ich bin zwei Tage gerannt, um hierher zu kommen, und ich bin nicht ich selbst.« Sein narbenbedecktes Gesicht löste sich zu einem Lächeln. »Wer immer es ist, aber ich habe jemand im Anor gespürt und … ich wollte wissen, wer es ist.«
    Am Ende war ein leichtes Zögern, und auch das verstand Flidais. In der kalten, rationalen, bis zum äußersten klinischen Seele Galadans war die blinde Leidenschaft, die ihn im Zusammenhang mit Lisen noch immer ansprang, eine grausame Störung. Und dass er zugunsten von Amairgen zurückgewiesen wurde, sollte eine Wunde sein, die jedes Mal, wenn er sich diesem Ort näherte, wieder aufbrach. Aus seinem neuen Hafen des Friedens, wo seine Seele jetzt verankert war, blickte Flidais auf die Gestalt des Wolfsfürsten und bemitleidete ihn. Allerdings ließ er diese Empfindung nicht bis in seine Augen vordringen, da er nicht das dringliche Bedürfnis hatte, erschlagen zu werden.
    Außerdem musste er seinen Eid halten. So sagte er beiläufig und bemühte sich um einen besänftigenden Tonfall: »Es tut mir leid, ich hätte es wissen sollen, dass du es spürst. Dann hätte ich dich benachrichtigt. Ich war selbst im Anor, Galadan. Ich komme jetzt gerade zurück.«
    »Du? Warum?«
    Flidais zuckte ausdrucksvoll mit den Schultern. »Symmetrie. Mein eigenes Zeitgefühl … Muster auf dem Webstuhl … du weißt, sie sind vor einigen Tagen von Taerlindel nach Cader Sedat gesegelt. Ich dachte, dass jemand im Anor sein müsste, falls jemand auf diesem Wege zurückkehren würde.«
    Der Regen hatte aufgehört, nur die Blätter über ihnen tropften noch. Die Bäume wuchsen zu dicht, als dass man viel vom aufklarenden Himmel sehen konnte. Flidais wartete, ob sein Köder angenommen wurde, und schützte seinen Geist.
    »Das habe ich nicht gewusst«, gab Galadan zu, und seine Stirn furchte sich. »Das ist eine Neuigkeit, und sie ist wichtig. Ich glaube, dass ich mich nach Norden wenden muss. Ich danke dir«, sagte er, und seine Stimme klang wieder berechnend wie zuvor. Flidais gab sich alle nur erdenkliche Mühe, nicht zu lächeln, und nickte dann. »Wer ist gesegelt?« fragte der Wolfsfürst.
    Flidais blickte so streng, wie er nur konnte. »Du hättest mich nicht verletzen sollen, wenn du mir Fragen stellen wolltest«, schmollte er.
    Galadan lachte laut. Sein Lachen drang durch den Großen Wald. »O Flidais, gibt es einen wie dich?« fragte er rhetorisch und schmunzelte noch immer.
    »Keinen, der so ein Kopfweh hat wie ich jetzt!« antwortete Flidais, ohne zu lächeln.
    »Ich habe mich entschuldigt«, sagte Galadan. Er wurde schnell wieder nüchtern, und seine Stimme klang plötzlich seidig und tief. »Ein zweites Mal werde ich es nicht tun.« Einen Augenblick lang ließ er das Schweigen fortdauern und wiederholte dann seine Frage: »Wer ist gesegelt, Waldgeist?«
    Flidais wartete etwas mit seiner Antwort, um den notwendigen Funken von Unabhängigkeit zu zeigen, und erwiderte erst dann: »Der Magier und der Zwerg. Der Prinz von Brennin und der vom Sommerbaum, den sie Pwyll nennen.« Über Galadans aristokratisches Gesicht zuckte kurz ein Ausdruck, den er nicht lesen konnte. »Und der Krieger«, beschloss er seine Aufzählung.
    Galadan schwieg einen Augenblick lang, er war tief in Gedanken. »Interessant«, bemerkte er schließlich. »Plötzlich bin ich froh, dass ich gekommen bin, Waldgeist. All das ist wichtig. Ich frage mich, ob sie Metran getötet haben? Was«, fragte er schnell, »denkst du über den Sturm, der gerade vorübergegangen ist?«
    Flidais hatte sein Gleichgewicht verloren, dennoch gelang es ihm zu lächeln. »Genau dasselbe, was du denkst«, murmelte er. »Und wenn ein Sturm den Krieger gezwungen hat, irgendwo zu landen, werde ich für meine Person jedenfalls ihn suchen.« Wieder lachte Galadan, diesmal jedoch leiser als zuvor. »Natürlich«, pflichtete er bei. »Natürlich, der Name. Glaubst du, er wird ihn dir selbst nennen?«
    Flidais spürte von innen, wie sein Gesicht anlief, aber das war nicht so schlimm; sollte der Wolfsfürst denken, dass er verlegen war. »Es sind merkwürdige Dinge geschehen«, sagte er beherzt. »Kann ich jetzt gehen?«
    »Noch nicht. Was hast du im Anor getan?«
    Ein Flimmern des Unbehagens kräuselte sich durch den Andain vom

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