Das Kind des Schattens
tatsächlich eine Enttäuschung und nicht diese überweltliche Helligkeit in seinem Leben sein können. Aber es war eben anders gekommen: Sein Traum war erfüllt worden, die Welten, zwischen denen ein Abgrund klaffte, hatten sich zusammengeschlossen, und Flidais von den Andain fand nun endlich Frieden, einen freudenvollen Frieden.
Der Preis dafür war ein gebrochener Eid, das wusste er. Dass dies notwendig gewesen war, verursachte ihm ein fernes, verschwommenes Bedauern, das aber die tiefen Wasser seiner Zufriedenheit kaum kräuseln konnte. Schließlich hatte er ja diese offene Rechnung mit einem Eid seinerseits an die Seherin ausgeglichen, und diesen Eid würde er halten. Sie würde es sehen. So sehr sie ihn auch verachtete, das würde sich sicherlich ändern, bevor die Geschichte zu Ende gesponnen war. Zum ersten Mal würde sich ein Andain freiwillig für die Angelegenheiten der Sterblichen und ihren Krieg hergeben.
Und jetzt geht es los, dachte er, und noch dazu mit dem, der sein Herr war.
Er ist hier, wisperte die einsame Baumnymphe in dem Baum über ihm dringlich, und Flidais hatte kaum Zeit, das Nachlassen des Regens und das Ende des Donners zu registrieren und den blitzschnellen Geistruf, zu dem er sich entschlossen hatte, loszuschleudern … und schon erklang ein Geräusch, ein Krachen, als ob sich jemand den Weg durch das Gestrüpp bahnte, und der Wolf war zugegen.
Einen Augenblick später war es Galadan. Flidais fühlte sich leicht, er hatte den Eindruck, dass er fliegen konnte, wenn er nur wollte, dass er nur durch die dünnsten Fäden an den Waldboden gebunden war. Aber er hatte Grund genug zu wissen, wie gefährlich die Gestalt war, die vor ihm stand, und er hatte die Aufgabe, den zu täuschen, der seit langem als der Scharfsinnigste in Fionavar galt und zudem noch der Leutnant von Rakoth Maugrim war.
So hielt Flidais also seine Gesichtszüge, so gut er nur konnte, unter Kontrolle und verbeugte sich ernst und tief vor dem, der in seinem Anspruch auf die Herrschaft über die flüchtige und arrogante Familie der Andain nur ein einziges Mal herausgefordert worden war. Ein einziges Mal … und Flidais erinnerte sich sehr gut, wie sowohl Liranans Sohn wie auch Machas Tochter, beide nicht weit von hier bei den Felsen von Rhudh, gestorben waren.
Was tust du hier? fragte Galadan im Geiste. Flidais streckte sich und bemerkte, dass der Wolflord hager und gefährlich aussah, seine Gesichtszüge waren vor Zorn und Unbehagen angespannt. Flidais schloss seine Hände locker vor seinem rundlichen Bauch. »Ich bin immer hier«, antwortete er milde, aber in lautem Ton.
Er wich zurück, als ein plötzlicher scharfer Schmerz in sein Bewusstsein schnitt. Bevor er von neuem zu sprechen begann, richtete er seine mentalen Barrikaden auf, er war gar nicht so böse darüber, denn Galadan hatte ihm gerade eine Entschuldigung geliefert.
»Warum hast du das getan?« fragte er kläglich.
Er fühlte, wie der schnelle, forschende Blick von seinen Barrieren abprallte. Galadan konnte ihn ohne Mühe töten, das war ein beunruhigender Gedanke, aber er konnte nur dann in sein Bewusstsein hineinsehen, wenn Flidais ihn einließ, und das war es, was im Augenblick zählte.
Sei nicht zu schlau, Waldgeist, nicht mit mir. Warum sprichst du laut, und wer war im Anor? Antworte schnell. Ich habe wenig Zeit und noch weniger Geduld. Diese geistige Stimme war kalt und erfolgsgewiß, aber Flidais hatte sein eigenes Wissen und seine eigenen Erinnerungen. Er wusste, dass der Wolf unter Druck stand, je weiter er sich dem Turm näherte. Das allerdings ließ ihn eher noch gefährlicher werden, wenn es darauf ankam.
Noch vor einer halben Stunde hätte er es niemals getan, hätte er auch nur davon geträumt, es zu tun, aber seit er den Namen wusste, hatte sich alles verändert, und so sagte Flidais noch immer laut: »Wie kannst du es wagen, mich zu durchforschen, Galadan? Ich kümmere mich nicht um deinen Krieg, aber meine eigenen Geheimnisse sind sehr wichtig für mich. Und ich werde mein Bewusstsein mit Sicherheit nicht für dich öffnen, wenn du, noch dazu in Pendaran, auf diese Weise und in einem solchen Ton zu mir kommst. Willst du mich wegen meiner Rätsel töten, Wolflord? Gerade jetzt hast du mir weh getan!« Er war der Meinung, dass er den richtigen Ton getroffen hatte, stolz und vorwurfsvoll zugleich, aber angesichts dessen, mit dem er es zu tun hatte, war das schwierig, sehr schwierig zu beurteilen. Dann aber holte er ruhig und zufrieden
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