Das Kind des Schattens
geht ihm gut«, sagte Lancelot.
Was ist eine Stimme? dachte sie. Was ist eine Stimme, dass sie so sehr auf uns wirken kann? Ein Licht des Feuers, ein Spiegel, der wieder zusammengesetzt wird, ein Traum, der zerbrochen in diesem Spiegel aufscheint. Die Struktur einer Seele in vier Worten. Vier Worte nicht über sie oder ihn, kein Willkommensgruß, kein Verlangen. Vier ruhige Worte über den Mann, den er trug, und deshalb auch über den Mann, der er selbst war.
Hätte sie sich gerührt, es hätte einen Bruch bedeutet. Sie erwiderte nur: »Ich weiß.«
Der Weber hatte ihn nicht an diesen Platz zu ihr gebracht, um ihn in einem Sturm auf dem Meer sterben zu lassen, es wäre bei weitem zu einfach gewesen.
»Er blieb zu lange an der Ruderpinne«, erklärte Lancelot. »Er ist mit seinem Kopf aufgeschlagen, als wir auf Grund gingen. Cavall hat mich zu ihm im Wasser geführt.« So ruhig berichtete er es. Kein Hinweis auf Leistung oder Drama. Und dann fügte er nach einer Pause hinzu: »Selbst bei diesem Sturm versuchte er, eine Lücke in den Felsen anzusteuern.«
Immer wieder, dachte sie. Auf wie viele Weisen konnte sich denn eine Geschichte noch wiederholen?
»Er hat immer nach Lücken in den Felsen gesucht«, murmelte sie. Weiter sagte sie nichts. Es war schwierig, Worte zu finden. Sie blickte in seine Augen und wartete.
Es wurde nun etwas heller, die Wolken rissen auf und gaben den klaren Himmel frei. Und dann plötzlich die goldene Spur des Sonnenuntergangs am Horizont und dann die Sonne unter den Wolken im Westen. Sie wartete und wusste bereits, was er sagen würde und was sie als Antwort darauf geben würde.
Er fragte: »Soll ich weggehen?«
»Ja«, entgegnete sie.
Sie bewegte sich nicht. Hinter ihr in den Bäumen am Rande des Strandes sang ein Vogel, und dann noch einer. Die Brandung kam herein, zog sich zurück und dann wieder.
Er fragte: »Wohin soll ich gehen?«
Und jetzt musste sie ihm einen großen Schmerz zufügen, weil er sie liebte und nicht zugegen war, um sie zu retten, als es geschah.
Sie sagte: »Du weißt wahrscheinlich von Rakoth Maugrim; sicherlich haben sie es dir auf dem Schiff berichtet. Vor einem Jahr hat er mich zum Ort seiner Macht entführt. Er … hat mir etwas angetan.«
Sie unterbrach sich. Nicht um ihrer selbst willen, denn der Schmerz war schon alt, und Arthur hatte viel davon weggenommen. Aber sie musste innehalten, sie sah sein Gesicht. Einen Augenblick später aber fuhr sie fort, sie sprach vorsichtig, denn sie wollte keinen Bruch, nicht jetzt. Sie sagte: »Hinterher sollte ich sterben. Aber ich wurde gerettet und habe nach Ablauf der Zeit sein Kind geboren.«
Wieder musste sie eine Pause einlegen, sie schloss die Augen, um sein Gesicht nicht zu sehen. Sie wusste, dass niemand außer ihr und nichts anderes ihm das antun konnte. Aber sie tat es jedes Mal. Sie hörte, wie er niederkniete und Arthur sanft auf dem Sand ablegte … er konnte seinen Händen nicht mehr vertrauen.
Mit geschlossenen Augen redete sie weiter: »Ich wollte das Kind haben. Es gibt Gründe dafür, die mit Worten nicht ausgedrückt werden können. Sein Name ist Darien, und vor kurzem war er hier und ist wieder weggegangen, weil ich ihn fortschickte. Niemand hat verstanden, warum ich das getan habe, warum ich nicht versucht habe, ihn an mich zu binden.« Wieder hielt sie inne und holte Atem.
»Ich glaube, ich verstehe es«, sagte Lancelot. Das und nur das sagte er, und es war so viel.
Sie öffnete ihre Augen. Er kniete vor ihr, Arthur lag zwischen ihnen, hinter den beiden Männern sah sie das Leuchten der Sonne und ihrer Wolkenspur in Rot und Gold, in strahlender Schönheit. Sie bewegte sich nicht und fuhr fort: »Er ist in diesen Wald gegangen. Es ist ein Ort von alter Macht und altem Hass, und bevor er ging, hat er mit seiner Kraft, die von seinem Vater kam, einen Baum verbrannt. Ich möchte …« Sie stockte. Er war gerade erst gekommen, kniete hier vor ihr, und sie zögerte bei den Worten, die ihn fortschicken würden.
Es folgte ein Schweigen, aber nicht lange. Dann ließ sich Lancelot vernehmen. »Ich verstehe. Ich werde ihn beschützen, ihn nicht behindern und ihn seinen Weg wählen lassen.«
Sie schluckte und kämpfte ihre Tränen zurück. Was war eine Stimme? Ein Tor mit Lichtnuancen, ein Tor zu einer Seele. »Es ist ein dunkler Weg«, sagte sie und sprach mehr Wahrheit aus, als sie wusste.
Er lächelte für sie so unerwartet, dass ihr Herz einen Augenblick aussetzte. Er lächelte zu ihr
Weitere Kostenlose Bücher