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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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konnte Flidais das Wispern des Waldes hören, die Botschaften, die wie ein Lauffeuer hin- und herliefen. Deshalb sprachen sie auch laut. Auf der schweigenden Verbindung war zuviel los. Und in Penderan gab es in jener Nacht auch noch andere Kräfte.
    Plötzlich erinnerte er sich an etwas, ja, an Feuer genau genommen, und er gab zu: »Es hätte wirklich schlimmer für mich ausgehen können, ich habe ihn angelogen.«
    Die Augen seines Vaters wurden schmal. »Wie das?«
    »Er wollte wissen, wer im Anor gewesen war. Er hatte gespürt, dass jemand sich dort befand. Du weißt, warum. Ich aber behauptete, ich war es nur, und das war nicht wahr.« Er machte eine Pause und fügte dann leise hinzu: »Auch Guinevere war dort.«
    Cernan von den Tieren sprang plötzlich auf, es war eine tierischanmutige Bewegung. »Das erklärt einiges«, rief er aus.
    »Was?«
    Als Antwort erhielt Flidais ein Bild. Es war sein Vater, der es ihm gewährte, und Cernan hatte ihm niemals wirklich etwas zuleide getan, hatte ihm aber auch wenig Gutes zugefügt. Und deshalb öffnete er jetzt seinen Geist in einem für ihn ungewohnten Vertrauen und empfing das Bild: Es war das Bild eines Mannes, der schnell, aber doch mit geschmeidiger Grazie durch den Wald ging und der trotz der Dunkelheit und der Schlingwurzeln seinen Weg ohne zu stolpern fand.
    Das war nicht derjenige, den er erwartet hatte, aber er wusste, wer es war, und wusste deshalb auch, was geschehen sein musste, während er bewusstlos auf dem Waldboden lag.
    »Lancelot«, hauchte er, und in seiner Stimme klang ein unerwarteter Ton mit, der etwas Ehrfürchtiges vermittelte. Sein Geist raste. »Er ist wahrscheinlich in Cader Sedat gewesen … natürlich. Der Krieger hat ihn vermutlich erweckt, und sie hat ihn wieder weggeschickt.«
    Er war in Camelot gewesen. Er hatte die drei in ihrem ersten Leben gesehen und hatte sie, ohne dass sie es wussten, in vielen der späteren Leben, die sie leben mussten, von neuem gesehen. Er kannte die Geschichte, und er war Teil von ihr.
    Und jetzt wusste er den Namen, mit dem der Krieger gerufen werden konnte. Er erinnerte sich mit aufblitzender Freude, die ihm in der Dunkelheit des Waldes wie Licht erschien. Dies aber erinnerte ihn wieder an seinen Eid. Er sagte: »Auch der Junge ist im Wald … Guineveres Kind.« Und dringlich fragte er: »Wo ist jetzt mein Bruder?«
    »Er rennt nordwärts«, antwortete Cernan. Einen Augenblick lang zögerte er. »Er ist in einem Abstand von etwa hundert Metern an Darien vorbeigelaufen … das war noch, als du geschlafen hast. Er hat ihn weder gesehen noch gespürt. Du hast Freunde im Wald, die über dein vergossenes Blut zornig sind: Er hat keine Botschaften erhalten, niemand spricht mit ihm.«
    Flidais schloss seine Augen und holte ruckartig Atem. So nahe waren sie sich gekommen. Er hatte eine Vision von dem Wolf und dem Jungen, die in der Stunde vor dem Mondaufgang in der Schwärze des Waldes aneinander vorbeigegangen waren, die sich so nahe gewesen waren und es nicht wussten, und es auch niemals wissen würden. Oder wussten sie es? fragte er sich. Gab es einen Teil der Seele, der auf irgendeine Weise nach Möglichkeiten suchte, die nur knapp verfehlt waren, nach zukünftigen Ereignissen, die auf Grund einer so geringen Entfernung in einem nächtlichen Wald niemals geschehen würden? Genau in diesem Augenblick fühlte er eine Luftbewegung. Es war Wind, aber er führte mehr mit sich … oder bildete er es sich nur ein? Er öffnete seine Augen. Er war hellwach, seine Sinne waren geschärft, und er war noch immer glücklich über die jüngsten Geschehnisse. Er verspürte keinen Schmerz. Er forderte: »Ich brauche deine Hilfe, du musst etwas für mich tun. Du musst mir helfen, einen Eid zu halten.«
    Cernans dunkle Augen blitzten vor Wut. »Auch du?« fragte er leise wie ein jagende Katze. »Ich habe getan, was ich will. Ich habe den Schaden geheilt, den mein Sohn angerichtet hat. Wie viele Fäden des Webers soll ich noch brechen?«
    »Auch ich bin dein Sohn«, hielt ihm Flidais mit großem Mut entgegen, denn er konnte bereits den Zorn des Gottes verspüren.
    »Ich habe nicht vergessen, ich habe getan, was ich tun will.«
    Flidais stand auf. »In einer Angelegenheit wie dieser kann ich den Wald nicht binden, dazu bin ich nicht stark genug. Aber ich möchte nicht, dass der Junge getötet wird, auch wenn er den Baum versengt hat. Ich habe den Eid geschworen. Du bist genauso sehr der Gott des Waldes wie der Tiere. Ich brauche deine

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