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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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dich so gut wie möglich in deiner Abwesenheit zu vertreten.
    Und an diesem Punkt war der wirkliche Zusammenstoß erfolgt. Was vorher gewesen war, schien demgegenüber nur ein unbedeutendes Scharmützel in einem Kinderspiel zu sein.
    Nein, hatte sie zurückgesendet und hatte dabei ihre innere Angst mit absoluter Festigkeit überspielt. Es ist mein Befehl, und deshalb auch Danas Befehl, dass du bleibst, wo du bist. Seit dem Opfer von Liadon ist nur eine Woche vergangen, und die Antwortriten sind noch nicht vollständig vollzogen.
    Bist du verrückt, hatte Audiart geantwortet. Sie war nun aufsässiger als jemals zuvor. Wer von diesen schnatternden Idioten, diesen dümmlichen Nichtwesen soll dich deiner Ansicht nach in Kriegszeiten vertreten?
    Das war ein Fehler. Immer ließ Audiart ihre Verachtung und ihren Ehrgeiz deutlich durchscheinen. Jaelle spürte bereits die Antwort der Mormae und holte erleichtert Atem. Sie würde es also tun dürfen. Alle festgelegten Regeln hätten verlangt, dass die Zweite Priesterin der Mutter nach Paras Derval kommen solle, um in ihrer Abwesenheit die Verantwortung zu übernehmen. Hätte Audiart das in ruhigem Ton vorgebracht, hätte sie auch nur die allerflüchtigste Demut gezeigt, so würde Jaelle diesen Kampf vielleicht verloren haben. Aber so wie die Dinge jetzt lagen, konnte sie angreifen.
    Möchtest du gerne verflucht und verdammt werden, Zweite der Dana? übermittelte sie mit einer seidigen Klarheit, deren nur sie allein fähig war. Bei dieser unverhüllten Drohung spürte sie, wie die Mormae alle zusammen die Luft anhielten. Wagst du es, so mit deiner Hohenpriesterin zu sprechen? Wagst du es, deine Schwestern so anzuschwärzen? Sei vorsichtig, Audiart, damit du nicht alles verlierst, was du durch deine Intrigen bis jetzt gewonnen hast!
    Es waren starke Worte, fast zu stark, aber sie waren nötig, um sie alle aus dem Gleichgewicht zu bringen, damit sie sagen konnte, was sie als nächstes sagen musste:
    Ich habe meine Vertreterin schon gewählt, und der Kanzler ist im Namen des Großkönigs bereits informiert. Heute Nachmittag habe ich das jüngste Mitglied der Mormae ernannt, sie steht neben mir, sie ist in Rot gekleidet und ist offen für die geistige Verbindung.
    Ich grüße Euch, Schwestern der Mutter, übermittelte Leila übergangslos.
    Und selbst Jaelle, die darauf halbwegs vorbereitet war, hatte über die Lebhaftigkeit ihrer Worte gestaunt.
     
    An diese Lebhaftigkeit erinnerte sich Jaelle an diesem Strand unter dem Anor Lisen, als der Regen langsam zu Ende ging und der Sonnenuntergang den westlichen Himmel färbte. Leilas Sprache lieferte ihren eigenen instinktiven Handlungen die Bestätigung und war imstande, eine jegliche Opposition, die ihr entschiedenes Verhalten in Gwen Ystrat vielleicht auslösen könnte, erfolgreich zu dämpfen. Und trotzdem spürte sie eine Mischung aus Kind und Frau in Leila und ihre Verbindung mit der Wilden Jagd als etwas zutiefst Beunruhigendes. Dana hatte ihrer Hohenpriesterin noch keinen einzigen Hinweis darauf gegeben, was dies alles zu bedeuten habe.
    Die Stimme von Loren Silbermantel, dem Magier, den sie ihr ganzes Leben lang gehasst und gefürchtet hatte, brachte sie wieder voll und ganz zum Strand zurück. Er erzählte, was ihm geschehen war, und der Triumph, den sie angesichts einer solchen Enthüllung von Schwäche einst gefühlt hätte, verlor sich vollständig in einer Welle von Angst. Nun brauchten sie Silbermantels Kraft und würden nicht darüber verfügen können. Sie hatte gehofft, dass er imstande sein würde, sie nach Hause zu schicken. In dieser großen Entfernung vom Tempel hatte sie keinen Zugang mehr zu ihrer eigenen Magie, keine Möglichkeit, selbst dorthin zurückzukehren … und wie es jetzt schien, konnte ihr auch keiner dabei helfen. Sie sah, wie der Baelrath auf der Hand der Seherin lebendig wurde, und hörte dann, wohin Kim mit dieser Kraft gehen wollte.
    Sie vernahm Pwylls Frage … es waren seine ersten Worte, seit die Prydwen auf Grund gelaufen war und sie an Land gekommen waren. Sie staunte über ihn. Wie konnte ein Mensch, der mit der Donnerstimme des Gottes sprechen konnte, so ruhig und zurückhaltend sein und dann, wenn man seine Anwesenheit fast vergessen hatte, mit Worten wieder auftauchten, die unmittelbar ins Herz des Geschehens stießen. Sie bemerkte, dass sie ein wenig vor ihm Angst hatte, und ihre Versuche, diese Angst in Hass oder Verachtung umzuwandeln, funktionierten nicht wirklich.
    Noch ein weiteres

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