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Das Kind

Titel: Das Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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wäre ihm wie ein Verrat vorgekommen. »Was soll das hier?«, schrie er verzweifelt in den Praxisraum hinein.
»Die Frage ist eher, was Sie hier zu suchen haben? Wir hatten doch eine Abmachung. Sie kümmern sich um den Jungen. Wir uns um den Therapeuten.« »Warum haben Sie ihn getötet?«
»Habe ich doch gar nicht. Er hatte eine faire Chance. Hätte er mir den Namen des Mörders verraten, wäre er jetzt noch am Leben.«
»Sie Dreckschwein!«
»Bitte. Lassen Sie uns nicht emotional werden. Wir haben uns nur freundlich mit dem Mann unterhalten.« Sterns Arme brannten, als hielte er sie auf eine glühende Herdplatte gepresst. Er konnte nicht mehr und ließ von Tiefensee ab. Der Haken an der Decke knirschte unter der erneuten Belastung.
»Tiefensee hätte sein Martyrium ganz einfach beenden kön nen. Doch er blieb standhaft. Also stellten ihn meine Mitarbeiter auf die Lehne des Stuhls, und ich konnte bequem von zu Hause aus beobachten, wie lange er das Gleichgewicht auf seinen Zehenspitzen hielt. Es waren zwölf Minuten und vierundvierzig Sekunden. Nicht schlecht für einen Mann in seinem Alter.«
»Sie sind pervers. Komplett irre.« Stern wankte auf den Computer zu.
»Wieso? Eigentlich müssten Sie doch froh sein. Glauben Sie mir, hätte Tiefensee gewusst, woher Simon den Fundort der Leichen kannte, hätte er es mir spätestens gesagt, als er anfi ng zu kippeln.«
Sterns Handy vibrierte in seiner Hosentasche, doch er ignorierte es.
»Das heißt für Sie, dass Sie jetzt einen Verdächtigen weniger haben. Allerdings sollten Sie Ihre Zeit ab sofort besser nutzen.«
»Wer sind Sie?«
Robert griff zur Maus, und der Bildschirmschoner auf dem Monitor verschwand. Doch außer einer normalen Benutzeroberfl äche konnte er nichts erkennen. Er wollte gerade den Internetbrowser überprüfen, als die Leuchtdiode der Webcam erlosch. Die »Stimme« hatte die Verbindung gekappt. Gleichzeitig sorgte ein externes Programm dafür, dass alle Browsereinträge gelöscht wurden und der Computer von selbst herunterfuhr. Die »Stimme« verwischte ihre digitalen Spuren.
Verdammter Mist .
Stern ließ sich schweißgebadet in den Schreibtischsessel zurückfallen und starrte auf den leblosen Körper des Psychiaters, der wie ein Pendel des Grauens von der Decke hing. Erst Sekunden später merkte er, dass auf dem modernen Bü rotelefon vor ihm immer noch eine Leitung blinkte. »Sind Sie noch dran?«, fragte er.
»Natürlich«, antwortete die Stimme. »Aber Sie sollten jetzt besser aufl egen.«
»Warum?«
»Können Sie es nicht hören?«
Stern stand auf, trat einen Schritt vom Schreibtisch weg und sah zur Tür.
Tatsächlich. Es klang so, als ob sich im Treppenhaus ein Metallseil spannte.
Der Fahrstuhl.
»Sie bekommen Besuch. Schauen Sie mal auf den Terminkalender vor Ihnen.«
Sterns Pupillen weiteten sich, als er den rot unterstrichenen Eintrag las: POL. BEFRAGUNG – KOM. MARTIN ENGLER.
Er sah auf seine Uhr. Die Stimme lachte. »Ich schätze, er wird in etwa dreißig Sekunden bei Ihnen sein.«
Verdammt. Warum hat Borchert mich nicht gewarnt? Stern
zog sein Handy aus der Tasche. Ihm wurde übel, als er die vielen Anrufe in Abwesenheit erkannte. Er musste sein Funktelefon versehentlich auf stumm gestellt haben. In diesem Moment blinkte es schon wieder. Dann begann es plötzlich zu läuten. Viel lauter als jemals zuvor. Der schrille Alarm füllte nicht nur das Zimmer, sondern die gesamten Praxisräume aus, inklusive Flur und Empfangsbereich. Stern brauchte eine Schocksekunde, bis er begriff, dass nicht sein Handy diesen Lärm erzeugte, sondern die Klingel über der Eingangstür. Engler stand bereits davor.
14.
H allo? Doktor Tiefensee?«
Die Worte des Kommissars rasselten vom Eingang durch den langgestreckten Flur in Richtung Behandlungszimmer. Englers Erkältung hatte sich seit vorgestern deutlich verstärkt und war nun auch auf die Bronchien übergegangen. Es machte ihm hörbar Mühe, seine heisere Stimme zu heben und laut nach dem Psychiater zu rufen.
»Und was jetzt?«, fl üsterte Stern in den Hörer. Die Freisprechanlage hatte er bereits ausgeschaltet, damit der Polizist nicht auf sie aufmerksam wurde. Noch hielt sich der Kommissar im Empfangsbereich auf. Aber bald würde er den Gang entlanggehen, um die Ecke des Flurs biegen und die zersplitterte Tür sehen. Und dann … »Ist da wer?«, rief Engler erneut. Dann musste der Kommissar husten. Eine ungeölte Türklinke quietschte leise. Stern presste den Hörer noch dichter an sein Ohr. Er

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