Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen
»Nur im Herzen. Hat versprochen, mich zu heiraten. Holt mich nach Deutschland und hat andere Frau. Schwein.«
Ich holte tief Luft. Das war unglaublich. Dann blinzelte Milla mir einen Sekundenbruchteil zu. Sie hatte Recht. Ich musste mich ganz, ganz ruhig verhalten.
»Die Frau Senatorin ist nicht zu Hause?«
»Nein«, sagte ich. »Gott sei Dank. Es wäre ein wenig … kompliziert, ihr die Lage zu erklären.«
POM 1 zückte das unvermeidliche Notizbüchlein. »Nur für die Akten«, sagte er zu Milla. Dann wandte er sich an mich. »Wie kam es zu dem Anruf?«
»Äh …« Ich kratzte mich an der Stirn. »Sie ist über mich hergefallen, und, na ja … Sie hat mir was verpasst.«
POM 2 nickte. »Hat ja keinen Unschuldigen getroffen, was?«
»Normalerweise«, setzte POM 1 hinzu, »trifft es ja die Frauen. Schön, dass man auch mal das umgekehrte Beispiel zu sehen kriegt.«
Ich lächelte unfreundlich, so weit das mit meinem Gesicht möglich war. »Freut mich, dass ich Ihren Abend gerettet habe. Milla, wolltest du nicht gehen?«
»Sind noch nicht fertig«, erwiderte Milla in plötzlich hundsmiserablem
Deutsch. »Wollten noch sprechen über Rückreise und Spesen, Jojo Cherie.«
Ich war sprachlos.
POM 1 und 2 sahen sich an. »Wir sollten gehen. In Privatangelegenheiten mischen wir uns ungern ein. Die Rechnung für den Einsatz geht an Sie.«
»Moment!«, rief ich. »Ich hatte aufgelegt!«
»Umso schlimmer.« POM 1 zückte wieder das Büchlein.
»Sie geben also zu, dass Sie die Polizei im Scherz alarmiert und zur Deckung Ihrer Identität aufgelegt haben?«
Ich resignierte. »Kein Problem. Rechnung geht an mich.«
POM 2 tippte sich zum Abschied an die Mütze. »Wir bleiben auf Streife, Fräulein Tsche …, Tsche …«
»Tscherednitschenkowa«, lächelte Milla zuckersüß zurück. »Vielen Dank. Und machen Sie keine Sorge.«
Ich hörte die Tür von außen zufallen.
»Danke«, knurrte ich sie an. »Das war wirklich sehr nett. Ich höre sie schon lästern auf der Wache: Holt der Kerl sie nach Deutschland und hat hier schon eine! Ob wir Frau Senatorin mal ein Wörtchen stecken sollen?«
»Ich habe andere Probleme.«
Ich auch. Aber erst einmal musste ich das Problem mit Frau Kalaschnikowa lösen. »Hör mal zu. Bis eben hattest du die besseren Karten. Aber jetzt steht es fifty-fifty. Die beiden Feministen von eben wissen, wer du bist. Wenn mir was passiert, bist du dran. Also Schluss jetzt.«
»Was ist mit deinem Versprechen?«
»Ich kümmere mich darum.« Ich schob sie in den Flur. »Wo wohnst du? Auch in der Spandauer Kirche?«
»In einer Kirche?«
»In der Kirchengemeinde Maria-Hilf?«
Sie nickte.
»Okay, ich fahre dich.«
Ich wollte verhindern, dass sie sich die ganze Nacht vor unserem Haus herumtrieb. Wir gingen zur Garage. Als ich den Porsche herausholte, hatte ich das Gefühl, sie war zum ersten Mal beeindruckt.
Ich fand die Kirche am Rande der Spandauer Altstadt. Es war eine Fußgängerzone, deshalb konnte ich nicht ganz heranfahren. Sie blieb noch einen Moment sitzen.
»Ich habe nur dein Versprechen.«
Verschwiegenheit. Würde. Ehre. Versprechen. Mir wurde das langsam zu viel. Aber ich nickte.
»Vergiss es nicht.«
Sie stieg aus. Ich sah ihr nach, bis ich sicher war, dass sie die Kirche erreichte und auf das danebenliegende Gemeindehaus zuging. Dann fuhr ich zurück.
Mein ganzer Körper war ein einziger Schrei nach Aspirin. Zu Hause entsorgte ich das Handtuch, räumte auf und legte einen dieser unsäglichen persischen Mottenfänger vor die Heizung über den Blutfleck. Irgendwann tanzten kleine glühende Kreise vor meinen Augen. Ich fiel ins Bett.
11
Trotz des Berufsverkehrs kam ich noch rechtzeitig kurz vor neun im Amtsgericht an. Als Georg mich sah, sprang er diensteifrig auf, doch sein Gruß blieb ihm buchstäblich im Halse stecken. Ich wusste, wie ich aussah. Der morgendliche Blick in den Spiegel war erschreckend gewesen. Meine Nase hatte sich dunkelviolett verfärbt, am Kinn breitete sich ein beeindruckendes Hämatom aus. Meine Augen waren immer noch verschwollen. »Ich bin die Treppe runtergefallen«, sagte ich.
Georg nickte. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht. Sie sind doch sonst so ein pünktlicher Mensch.«
Hinter uns klackerten Absätze wie Maschinengewehre. Frau Hoffmann war im Anmarsch. Ich drehte ihr den Rücken zu. Sie hielt inne, dann kamen ihre Schritte näher.
»Guten Morgen.« Marie-Luise stand hinter mir und wartete.
Ich drehte mich um. »Guten Morgen. Bevor du noch
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