Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken
Nerv registriert Berührungen, Temperaturen, chemische Reize und alle Schmerzen in unserem Gesichtsbereich – vom quälenden Zahnschmerz bis zum Sonnenbrand. Wie das dünn verästelte Wurzelgeflecht eines Baumes durchziehen seine feinen Nervenendigungen unsere Gesichtshaut und die Schleimhäute von Mund, Nase und Augen. Menschen, die ihren Geruchssinn nach einem Unfall oder einer Erkrankung völlig verloren haben, kann er helfen, Duftstoffe in höherer Konzentration weiterhin wahrzunehmen. Minze, Knoblauch oder Thymian können zwar nicht an ihrem Duft erkannt, aber durch die Empfindungen, die sie auslösen, unterschieden werden. Sie können scharf, brennend, beißend, stechend, heiß oder kalt sein. Der Nervus trigeminus leitet einen Teil seiner Informationen direkt in die Schmerzzentrale unseres Gehirns weiter und hilft dadurch, den Menschen vor Gefahren zu warnen und zu schützen. Eine zu heiße Suppe, aber auch Reizstoffe und Umweltgifte werden blitzschnell registriert. Der Nervus trigeminus ist gleichzeitig an das vegetative Nervensystem gekoppelt, was dafür sorgt, Schadstoffe reflexartig wieder auszuwaschen und damit aus dem Körper zu entfernen. Wenn wir allzu scharfes Curry essen oder versehentlich in eine Peperoni beißen, schießen uns Tränen in die Augen, die Nase beginnt zu laufen, und wir fangen an zu niesen und zu schwitzen.
Alles sehr sinnvoll, aber es gibt Patienten, deren Trigeminus sie dauerhaft mit Schmerzen quält, weil er sich entzündet hat. Seit vielen Jahren haben Wissenschaftler deshalb nach Rezeptoren geforscht, die für diese Schmerzen verantwortlich sind. Ihr Ziel ist es, sie zu blockieren – ähnlich wie bei Süßigkeiten oder Bitterblockern. Sie entdeckten die TRP (transient receptor potential)-Rezeptoren. Einer davon, der T RPA 1, ist wesentlich für unser Schmerzempfinden zuständig. Er wird aktiviert durch körpereigene Schmerzsubstanzen oder durch chemische Stoffe, die in Nahrungsmitteln vorkommen: scharfen Senf, Ingwer, Knoblauch oder Kümmelgewächse wie Nelken.
Und hier kommt nun wieder das Eugenol ins Spiel. Offenbar kann das Eugenol der Nelken den TRPA 1-Rezeptor nicht nur aktivieren, sondern ihn durch andauernde Reizung unempfindlich machen. Wir kennen diesen Mechanismus von unseren Riechrezeptoren: Bei Dauerreizung mit chemischen Stoffen reagieren sie irgendwann nicht mehr. Diese Adaptation hilft uns, mit Schmerzen, aber auch mit Gestank umzugehen. Sitzt man lange genug in der miefigen U-Bahn, nimmt man die schlechte Luft gar nicht mehr wahr. Genauso funktioniert die Sache mit den Nelken: Längeres Kauen oder Gurgeln mit Nelkenöl bringt dem Zahnschmerz-Geplagten vorübergehende Linderung. Inzwischen gibt es sogar ein aus Nelken hergestelltes Gel, das genauso schmerzstillend wirkt wie die Spritze beim Zahnarzt.
Leider funktioniert dieses Prinzip mit den körpereigenen Schmerzsubstanzen nicht. Sie wirken dauerhaft, denn der Körper soll gewarnt bleiben. Der Schmerz hört nicht auf.
Wenn einem beim Essen
heiß und kalt wird
Es ist ein Spiel mit dem Feuer. Beim Genuss einer echt mexikanischen Salsa oder einer Currywurst mit Soße der Marke Vicious Vampire bricht einem schon mal der Schweiß aus. Wer einmal Chili-Schoten geschnitten und dann versehentlich mit den Fingern die Lippen, Augen oder Nase berührt hat, weiß, wie sehr das brennt und sticht. Was in niedrigen Dosen noch eine angenehme Schärfe und Wärme erzeugt, schlägt im Übermaß in Schmerz und unangenehme Hitze um. Das liegt am »Scharfmacher« Capsaicin. Sein Schärfegrad wird meist in Scoville-Einheiten angegeben, benannt nach dem gleichnamigen amerikanischen Pharmakologen. Nach dieser Skala hat ein Gemüse-Paprika etwa 10 Scoville, eine scharfe Peperoni ungefähr 500 und das reine Capsaicin 15 Millionen. Die schärfste Chili-Sauce der Welt bringt es auf etwa sieben Millionen Scoville. Wer solche Schärfe nicht gewohnt ist, sollte sie allerdings nicht probieren, das könnte lebensgefährlich sein.
Umgekehrt empfindet man ein starkes Kältegefühl beim Einatmen, wenn man an einem Pfefferminz-Bonbon oder einem mentholhaltigen Fisherman’s Friend lutscht.
In beiden Fällen wird das trigeminale Nervensystem stimuliert, wobei wieder Mitglieder der TRP -Familie eine wichtige Rolle spielen. Einen ihrer Vertreter, den Nelkenrezeptor, kennen Sie schon aus dem vorigen Kapitel. Aber auch andere sind äußerst spannend. Sie springen nämlich auf zwei völlig unterschiedliche Reize an: auf chemische Substanzen und
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