Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken
Lande kutschieren, schwärmte seinen Lesern von den köstlichen Gaumenfreuden der regionalen Küche vor und lockte sie mit seinen Kolumnen noch in die letzten Winkel der Republik. Sehr zur Zufriedenheit seines Auftraggebers. Erst 1926 erschien der erste Guide Michelin , doch Curnonsky legte den Grundstein dafür schon mit seiner achtundzwanzig Bände umfassenden Enzyklopädie Das gastronomische Frankreich .
Das Beispiel des umtriebigen Lebemannes zeigt: Das richtige Training kann aus einem einfachen Genießer einen Gourmet machen. Dazu muss man sich nur auf das Abenteuer einlassen, neue Geschmäcker zu entdecken. Das kann in einem Restaurant sein, das hervorragend zubereitete Spezialitäten anderer Länder anbietet, oder in der Küche eines kreativen Kochs. Man sollte sich – sofern der Geldbeutel das verträgt – ruhig einmal in ein Sterne-Restaurant wagen. Denn dort sind die Zutaten meist von erlesener Qualität, und der Koch muss seinen Gästen etwas Besonderes bieten, um seinen Ruf zu wahren.
Was zur Schulung des eigenen Gaumens wenig beiträgt, ist das reine Zuschauen, ohne zu probieren. Millionen Fernsehzuschauer bewundern, wie Alfons Schuhbeck und seine Kollegen aus einem Haufen alltäglicher Zutaten ein exquisites Mahl kreieren. Da wird gegrillt und gelacht, gerührt und geplaudert, bis der Koch begeistert ausruft: »Aaah, das schmeckt ja wieder wunderbar.« Das muss er gelegentlich, denn sein Medium hat einen entscheidenden Nachteil: Weder Riechen noch Schmecken lassen sich über Kabel oder Satellit erleben. Fragt sich nur, warum dann so viele Leute zusehen? Johann Lafer hat einen Verdacht: »Ich denke, Kochen ist ein so großes Thema, weil viele Leute nicht mehr kochen.« Was nicht heißt, dass sie nicht gern gut essen.
Fürst Curnonsky wurde für seine Leidenschaft schließlich sogar zum Ritter der Ehrenlegion ernannt und ist in seinem Heimatland noch heute eine Art Nationalheiliger. Schließlich begründete er den guten Ruf der französischen Küche und hinterlässt der Nachwelt einen einfach zu befolgenden Rat: Guten Geschmack lernt man am besten durch gutes Essen.
Schmecken lernen ohne Verbote
Am Spinat-Problem scheiterte schon Popeye, der Seemann, der praktisch nichts anderes aß und sich redlich mühte, die Kinder seiner Generation davon zu überzeugen, das ungeliebte Gemüse sei eine Art Muskelaufbaupräparat erster Güte. Vergeblich. Sie bewunderten seine Tattoos und seine muskulösen Unterarme, Spinat aßen sie trotzdem nicht. Zum Leidwesen vieler gesundheitsbewusster Mütter haben Kinder eine angeborene Abneigung gegen Bitteres. Der bittere Geschmack, das wissen sie instinktiv, kann nämlich eine Gefahr für die Gesundheit signalisieren. Und vielleicht ahnen sie sogar, dass Spinat überhaupt nicht so gesund ist, wie von der Mutter propagiert. Er enthält nämlich viel weniger Eisen als fast ein Jahrhundert lang angenommen. Ein Wissenschaftler hatte einst die Kommastelle für den Eisengehalt falsch gesetzt. Je älter Kinder jedoch werden, desto eher akzeptieren sie auch Bitteres. Im hohen Alter steigen dann fast alle Menschen freiwillig von Vollmilch- auf immer bittere Schokoladensorten um, weil das Geschmacksempfinden nachlässt. Aber schon früher lassen sich die Essgewohnheiten der Kinder beeinflussen. Eltern und Umgebung sind dabei das beste Vorbild. Wenn zu Hause viel Fleisch und Wurst gegessen wurden, ist dem Kind womöglich das Salat- und Gemüseprogramm nicht sonderlich vertraut – und was es nicht kennt, isst es nicht. Aber Geschmacksvorlieben lassen sich umprogrammieren. So lernen die meisten Kinder mit der Zeit die Vielfalt der Kohlsorten zu schätzen, die sie lange abgelehnt haben. Wen es nach England verschlagen hat, der schätzt womöglich sogar gebackene Bohnen. Und wer jahrelang in Asien lebt, findet selbst Knoblauchsuppen zum Frühstück gar nicht mehr so abwegig. Eines sollte man jedoch vermeiden, wenn man den Speisezettel seiner Kinder erfolgreich erweitern möchte: Verbote! Sie machen eine Sache erst so richtig interessant. Man kennt das. Kaum hat man sich geschworen, auf Kuchen zu verzichten, schon taucht diese unstillbare Sehnsucht nach Erdbeertorten auf. Unvergessen sind jene bemitleidenswerten Schulfreunde, die zu Hause nichts Süßes essen durften. Vor ihnen war woanders keine Tüte mit Gummibärchen sicher, keine Schokolade überlebte ihren Besuch.
Dass Verbote also oft das Gegenteil bewirken, könnte man trickreich nutzen: Auch Obst wird erstaunlicherweise
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