Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken
attraktiver, wenn man es limitiert. Das hat ein Versuch an der Universität Maastricht gezeigt, der übergewichtige Kinder von gesunden Essensgewohnheiten überzeugen sollte. Als man diesen Kindern verbat, Obst zu essen, griffen sie umso häufiger zu Ananas und Banane, selbst wenn es Schokolade als Alternative gab. Die Forscher zogen daraus den Schluss, dass ein komplettes Verbot von Süßigkeiten kontraproduktiv ist.
Soll man also seinen Kindern einfach Birnen und Brokkoli verbieten, damit sie Obst und Gemüse essen? Darauf wollten die Forscher sich nicht festlegen. Aber ohne Druck anbieten, selbst davon essen und die Neugier der Kinder wecken, das könnte helfen. Ein bisschen Basilikum hier, etwas Blumenkohl dort. Wenn Kinder beim Kochen helfen dürfen, macht das Probieren noch mehr Spaß. Und wie schmeckt denn eigentlich ein Kohlrabi? Kann man Wörter für den Geschmack finden? Düfte und Aromen sind schwer zu beschreiben, denn es gibt oft keine Begriffe für das, was man wahrnimmt. Eine Banane ist süß, eine Olive salzig, so viel steht fest. Aber wie beschreibt man ihr Aroma? Ist es fruchtig, blumig oder würzig? Überall verstecken sich neue Geschmäcker und Aromen. Daraus kann ein Spiel werden, bei dem Kinder ganz nebenbei lernen: Unser Essen hat mehr zu bieten, als die Fastfood-Restaurants hergeben. Nichts gegen Burger, versteht sich. Pizza, Fritten, Currywurst – alles zu seiner Zeit. Schließlich möchte man – bei aller Liebe zum Spinat – auf keinen Fall durch ein unbedachtes Verbot einen Hamburger-Heißhunger provozieren.
Mit hundert Mal Kauen
zum Feinschmecker
Egal, ob hundert Mal, wie von Großmüttern empfohlen, oder bloß zweiunddreißig Mal, wie manche Ayurveda-Kundigen meinen – Kauen ist eine weitgehend unterschätzte Tätigkeit. Vor allem in Zeiten von Fastfood und Geschäftsessen. Beim einen werden die Speisen so weich gekocht, dass vor allem Zahnlose und Kleinstkinder daran Freude finden, beim anderen will man sich unterhalten – höflicherweise mit leerem Mund, weshalb wenig gekaut und schnell geschluckt wird. Wir kauen im Durchschnitt nur noch sechs Mal. Der Rat unserer Großmütter stammt ja aus einer Zeit, in der man beim Essen noch schwieg und sich genug Zeit dafür nahm, weil Nahrung knapp und wertvoll war.
Wer nicht gut kaut, dem können wichtige Nährstoffe verloren gehen, denn mit dem Kauen beginnt bereits die Verdauung. Schon der Speichel enthält Enzyme, die den Zucker in unserer Nahrung aufspalten. Intensives Kauen fördert den Speichelfluss und verwandelt so die Nahrung in einen speiseröhrenfreundlichen Brei. Das Schlucken geschieht dann – wie das Atmen – ganz automatisch. Die weitere Verdauung besorgt übrigens der Verdauungsapparat selbst, denn er verfügt über ein ganz eigenes Nervensystem, das ähnlich viele Zellen hat wie unser Gehirn, aber unabhängig davon arbeitet. Der Magen produziert Salzsäure, Gallenenzyme im Dünndarm spalten die Nahrung weiter auf, der Darm filtert daraus wichtige Aufbaustoffe. All das passiert, ohne dass wir uns darüber Gedanken machen müssen. Ein Wunderwerk, dieses enterale Nervensystem, das unsere Verdauung koordiniert und uns womöglich hilft, gelegentlich kluge Entscheidungen »aus dem Bauch heraus« zu fällen.
Das Kauen fördert aber nicht nur die Verdauung, sondern auch die schlanke Linie. Denn in der Regel dauert es bis zu 15 Minuten, bis das Sättigungssignal unser Gehirn erreicht. Je länger wir kauen, desto weniger Essen brauchen wir, um uns satt zu fühlen.
Außerdem hilft das Kauen, das Schmecken zu intensivieren, denn es setzt Aromen frei, die wir sonst gar nicht wahrnehmen würden. Wie schade wäre es, wenn wir ein Rinderfilet einfach herunterschlucken würden und nicht die letzte Nuance des edlen Fleisches genießen könnten. Oder wenn wir uns beim Nachtisch das wunderbare Aroma des Tiramisu entgehen ließen. All diese Aromen steigen durch eine Verbindungsröhre, den sogenannten retronasalen Weg, vom Mundraum direkt in die Nase und vervollständigen so das sinnliche Geschmackserlebnis. Wenn wir jemanden beim intensiven Kosten beobachten, wie er mit geschlossenen Augen ganz weltentrückt nach innen spürt, dann erkennen wir ganz deutlich: Kauen und Schmecken sind recht intime Angelegenheiten. Sehen und Hören können wir auf Distanz, beim Schmecken kommen uns die Dinge ganz nah. Und der Geschmackssinn allein entscheidet, ob wir uns das Fremde einverleiben oder nicht. Ist es genießbar oder giftig? Auch bei der
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