Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken
Zeitpunkt des Eisprungs wünschten sich seine Versuchsstudentinnen einen dominanten Mann mit Zeugungspotenzial, während sie in ruhigeren Hormonzeiten zum verlässlichen Lebensgefährten tendierten – wie übrigens genauso während der Schwangerschaft. Klug ausgedacht von der Natur. Doch immer mehr Frauen nehmen die Pille, die so tut, als sei die Frau schon schwanger. Braucht sie da noch einen Erzeuger? Natürlich nicht, wie der Wissenschaftler Claus Wedekind herausfand. Wenn Frauen die Pille nehmen, neigen sie mehrheitlich dazu, sich die »falschen« Männer auszusuchen, weil ihre hormongesteuerte Nase sie in die Irre leitet. Setzen sie dann die Pille ab, bemerken sie ihren Fehler und sind enttäuscht. Manche Forscher glauben sogar, dass die hohen Scheidungsquoten mit der späten Erkenntnis zusammenhängen: »Eigentlich kann ich den gar nicht riechen.«
Unliebsame Überraschungen lauern auch beim beliebten Dating per Internet. Einige Firmen bieten deshalb bereits den Duft-Schnelltest für den idealen Partner an: Per Speichelprobe wird man genotypisiert, die Partnerbörse sucht dann den passenden Partner. Damit könnte sich die Trefferquote erhöhen – vorausgesetzt, der Traumpartner war beim Test dabei. Vielleicht hatte er auch keine Lust, die Gebühren zu zahlen. Dann bliebe wieder einmal nur der Offline-Modus: immer der Nase nach.
Pheromone – der Duft
der Leidenschaft
Ein Hauch ihres Parfums und er verliert den Verstand, das richtige Rasierwasser und sie sinkt danieder. Welch ein Traum. Einmal Sitte, Anstand und zeitraubenden Smalltalk vergessen und sich sofort den elementaren Dingen zuwenden. Einer, der weiß, wie’s geht, ist der Eber. Von der Natur mit einem korkenzieherartig geformten Penis wenig begünstigt, braucht er eine geduldige Partnerin. Sein Trick sind zwei Pheromone – Androstenon und Androstenol. Kaum hat er diese Lockstoffe mit seinem Speichel aufgeschäumt, zeigt die Sau sich beeindruckt und verfällt in die sogenannte Duldungsstarre: Sie hält still und wirft ihn nicht ab, wie es sonst ihre Art ist. Allerdings wirkt das Zaubermittel nur zum Zeitpunkt ihres Eisprungs, sonst nicht.
Pheromone, griechisch für »Träger der Erregung«, sind körpereigene Stoffe, die zum Beispiel bei Stress und Angst oder auch bei sexueller Lust gebildet werden. Sie rufen bei Artgenossen reflexartig immer dieselbe, vorhersehbare Reaktion hervor. Widerstand ist zwecklos, denn gegen die chemischen Kommandos können sie sich nicht wehren. Ein artfremdes Tier dagegen versteht sie nicht, weshalb der Eber mit seinem Duft niemals eine Ziege beeindrucken könnte. Pheromone sind wie eine Sprache, deren Botschaften von Sex, aber meistens von anderen lebenswichtigen Dingen handeln. »Alle mal herkommen, ich habe eine tolle Futterquelle entdeckt!« könnte so ein Pheromon-Befehl lauten, genauso: »Achtung Gefahr: Flieht so schnell ihr könnt!« oder: »Zutritt verboten, dies ist mein Revier!« Forscher schätzen, dass Mäuse über ungefähr dreihundert Pheromonrezeptoren und entsprechend viele Duft-»Wörter« verfügen. Selbst Pflanzen können Pheromone produzieren, um sich gegenseitig zu warnen. Der Salbei sendet zum Beispiel Duftstoffe in ganzen Schwaden aus, wenn Schädlinge nahen, damit andere Salbei-Pflanzen rechtzeitig mit der Produktion von Abwehrstoffen beginnen können.
Verstehen auch Menschen ihre Artgenossen manchmal wortlos? Merken wir, wann jemand Angst hat, uns warnen will oder bereit ist zum Sex? Machen Pheromone Männer für Frauen unwiderstehlich? Lange hatte die Wissenschaft angenommen, der Mensch habe die Fähigkeit verloren, solche Lockstoffe überhaupt zu bilden oder zu empfangen. Schließlich besitzen Tiere ein eigenes Organ für chemische Signale, das Vomeronasalorgan, das beim Menschen zwar noch existiert, aber funktionslos ist. Inzwischen fanden Wissenschaftler jedoch zwischen den normalen Riechzellen in der Nasenschleimhaut Zellen, die Rezeptoren für menschliche Pheromone tragen. Sie begannen weiter zu forschen. Einer der bekanntesten Versuche wurde mit Androstenon durchgeführt, das nicht nur im Eberspeichel, sondern in beachtlichen Mengen auch im Achselschweiß von Männern vorkommt. Im Wartezimmer eines Arztes wurden einige Stühle damit besprüht, andere nicht. Frauen setzen sich daraufhin bevorzugt auf die besprühten Stühle, während Männer den Duft gar nicht wahrzunehmen schienen. Das gleiche Experiment wurde mit Theatersitzen und Toiletten wiederholt – mit demselben Ergebnis.
Weitere Kostenlose Bücher