Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken
Die anziehende Wirkung des lebenden Objekts »Mann« wurde nicht getestet. Doch warum sollte das Androstenon nicht wirken, wenn Männer es abgeben?
Auch der Verhaltensforscher Karl Grammer aus Wien forschte mit Androstenol und seinem Abbauprodukt Androstenon. Er ließ Frauen an Tüchern mit diesen Pheromonen schnuppern. Wildesten Männerträumen zum Trotz rief zwar das Androstenol einhellig Glücksgefühle hervor, das Androstenon hingegen wurde von den Frauen als ziemlich scheußlich empfunden – außer von jenen, die gerade ihren Eisprung hatten. Von Hormonen umnebelt, fanden sie den leicht muffigen Urin-Odeur des Androstenons deutlich weniger übel.
Umgekehrt senden Frauen mit ihrem Vaginalsekret Lockstoffe aus, wie die Wiener Wissenschaftler entdeckten. Eine Mischung aus Fettsäuren, die sogenannte Kopuline enthält, soll Männern im Unterbewusstsein signalisieren, dass Frauen empfängnisbereit sind. Über hundert Test-Männer beurteilten Frauen auf Fotos, während sie drei verschieden starke Kopulin-Gemische im Vergleich zu reiner Luft rochen. Vor allem der schwache Duft gefiel ihnen. Plötzlich sahen die Frauen deutlich attraktiver aus. Besonders vorteilhaft schnitten weniger schöne Frauen ab: Sie gewannen durch die Duftsignale stark an Anziehungskraft.
Natürlich versuchen Parfumhersteller, aus diesen Erkenntnissen endlich den ultimativen Duft der Verführung zu komponieren – unwiderstehlich und mit wissenschaftlicher Erfolgsgarantie. Bisher waren dafür animalische Noten wie Ambra, Moschus oder andere Tier-Pheromone beliebt. Über die Herkunft der wachsartigen Ambra, die auf dem Meer treibend gefunden wurde und die unverdaulichen Nahrungsteile des Wals umschloss, macht sich schon Herman Melville in Moby Dick lustig: »Wer würde vermuten, dass vornehme Herren und Damen sich an Essenzen laben, die in den schmählichen Gedärmen eines kranken Wals gefunden werden. Und doch ist es so …« Ambra, holzig, balsamisch, etwas tabakartig wurde gern kombiniert mit Moschus, dem Urinsekret des Moschusochsen, und Zibet, den fäkalisch-sauren Absonderungen der Analdrüse der gleichnamigen afrikanischen Schleichkatze. Allen dreien wird eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt, die sie bei den entsprechenden Tieren nachweislich auch haben.
Als Parfum-Ingredienzien sind Pheromone angeblich die reine Zauberdroge. Ein Tropfen kann den Angebeteten vollständig betören, selbst der schüchternste Bewerber wird zum begehrten Sexobjekt, dem die Dame seines Herzens willenlos in die Arme sinkt. Heute gibt es diverse Hersteller, die Parfums angeblich mit menschlichen Pheromonen herstellen, sogar mit dem »echt erotisierenden Vaginalgeruch einer begehrenswerten Frau«. Das kann man ausprobieren, muss es aber nicht. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: Es wäre auf jeden Fall übertrieben, auf öffentlich präsentierte Leidenschaft und vom Körper gerissene Kleidung zu hoffen. Achten Sie aber auf subtile Signale: Hat eine Frau gute Laune? Liegt ein Prickeln in der Luft? Ist ein gewisses Interesse an Sex spürbar? Experten schreiben solche Wirkungen dem Duft von Androstenol und Androstenon zu. Sie sorgten im Test nicht nur für bessere Stimmung, sondern kurbelten bei Frauen auch die Produktion eines Fruchtbarkeitshormons an.
Gar kein schlechtes Ergebnis dafür, dass es beim Menschen nur noch fünf Rezeptoren für Pheromone gibt. Etwas kümmerlich im Gegensatz zur Maus mag man finden, aber Forscher suchen weiter nach den Düften, die diese Rezeptoren wahrnehmen können. Wir vermuten sie im Angstschweiß des Menschen, in der Muttermilch und im Vaginalsekret. Für die wichtigsten Dinge im Leben scheint also gesorgt zu sein. Um den Rest muss sich dann doch der Verstand kümmern.
Warum man manche Menschen
nicht riechen kann
Die Nase ist eine mächtige Verbündete, wenn es um Sympathie oder Abneigung geht. »Der stinkt mir« muss nicht unbedingt heißen, dass dieser Mensch tatsächlich ungewaschen in einem verrauchten Jackett steckt. Trotzdem finde ich ihn abstoßend und »anrüchig«, im wörtlichen oder im übertragenen Sinn. Für solche Abneigungen gibt es persönliche und kulturelle Gründe. Vielleicht erinnert mich das Lavendelparfum einer Person an eine alte Tante, die sonntags regelmäßig zu Besuch kam und auf die Wange geküsst werden wollte? Oder die Person benutzt dasselbe Rasierwasser wie ein Exfreund, der sich als eifersüchtiger Choleriker entpuppt hat? Die Abneigung steckt einem noch immer in der Nase.
Umgekehrt
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