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Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken

Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken

Titel: Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Hatt , Regine Dee
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neue Riechsinneszellen, doch auch die Kapazität der Stammzellen lässt oft nach, je älter wir werden.
    So kommt es, dass das Alter die beim Menschen häufigste Ursache für Riechstörungen und Anosmie ist, den kompletten Verlust des Riechvermögens. Wie Geruchsforscher Thomas Hummel und seine Kollegen von der Universitätsklinik Dresden herausfanden, ist ein Drittel aller über Fünfundsiebzigjährigen schon nahezu nasenblind. Bei den über Achtzigjährigen ist es schon über die Hälfte. Vielen fällt der Riechverlust gar nicht so auf, weil sie vermuten, dass die Nahrungsmittel nicht mehr so schmackhaft sind wie in ihrer Jugend. Besonders betroffen sind Patienten, die unter Altersdemenz, Alzheimer oder Parkinson leiden. Für all diese Krankheiten gilt ein vermindertes Riechvermögen sogar als erstes Symptom und wird zur Frühdiagnose und Verlaufskontrolle herangezogen.
    Unabhängig vom Alter kann die Riechfähigkeit sich durch anatomische Ursachen verschlechtern. Oft verhindert schon ein harmloser Nasenpolyp oder eine gekrümmte Nasenscheidewand, dass die Atemluft die Riechzellen erreicht. In beiden Fällen haben die Rezeptoren nur geringe Chancen, an die Duftmoleküle aus der Luft zu gelangen. Durch eine Operation lässt sich das Riechen aber meist vollständig wiederherstellen.
    Manchmal lässt das Riechvermögen nicht einfach nur nach, sondern verschwindet vollständig, zum Beispiel nach einem Unfall oder einer Virusinfektion. So eine Anosmie verläuft unspektakulär, denn der Geruchsblinde ›funktioniert‹ wie immer. Kein Außenstehender kann erkennen, wie sehr er darunter leidet, kein Parfum mehr riechen zu können und keinen Kaffee, weder den ersten Flieder im Frühling noch das gemähte Gras im Sommer. Wer nichts mehr riechen kann, verliert leicht die Lebensfreude, manche macht der Verlust sogar depressiv. Denn mit dem Riechen geht die Wahrnehmung aller Aromen verloren. Schokolade schmeckt zwar noch süß, ein Apfel säuerlich und ein Schweinebraten salzig, weil die Zunge diese Geschmäcker unterscheiden kann, eine Peperoni schmeckt noch scharf, weil sie den Trigeminus reizt, aber jede Art von Aroma bleibt dem Geruchsblinden verschlossen. Wie bei einem schweren Schnupfen nimmt die Nase nichts mehr wahr. Schlimmer noch ist für viele geruchsblinde Menschen ihre Unfähigkeit, Körpergerüche wahrzunehmen. Nicht nur dass sie auf den Duft eines geliebten Menschen verzichten müssen, sie wissen auch nicht, wie sie selbst riechen. Stinke ich? Habe ich Mundgeruch? Muss ich den Pullover waschen? Stets ist da die Angst, unangenehm aufzufallen. Manche Betroffene waschen sich deshalb bis zu zehnmal am Tag.
    Ein kleiner Trost: Solange noch ein Rest an Riechvermögen vorhanden ist und die Stammzellen noch nicht vollständig zerstört sind, gibt es eine Chance. Denn im Gegensatz zum Sehen und Hören kann das Riechen durch konsequente Durchführung spezieller Übungen wieder verbessert werden. Das Riechtraining, das die Universitätskliniken von Dresden und Jena in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Zentren entwickelt haben, ist denkbar einfach, und es eignet sich nicht nur für Kranke, sondern für alle, die ihre Riechfähigkeit steigern wollen. Die Teilnehmer schnuppern morgens und abends ein paar Minuten lang an den Duftnoten Rose, Eukalyptus, Gewürznelke und Zitrone. Damit, so die Mediziner, soll die Auswertung der Duftinformationen im Gehirn verbessert und die Neubildung von Riechzellen in der Nase angeregt werden.
    Auch alte Menschen können eine Menge tun, um ihr Riechvermögen möglichst lange zu erhalten. Besonders wirksam lässt sich der Riechverlust hinauszögern, wenn man rechtzeitig mit dem Üben beginnt. Das muss kein professionelles Training sein, sondern es reicht, wenn man mehrmals täglich an fünf bis zehn Düften aus der eigenen Umgebung schnuppert und versucht, sie so intensiv wie möglich wahrzunehmen. Besonders hilfreich ist es, wenn man versucht, sich während des Riechens diesen Duft und alle Assoziationen, die man damit verbindet, in Erinnerung zu rufen.
    Eine intensive Riechgymnastik kann sogar einen Anti-Aging-Effekt auf das Gehirn haben. Forschungen an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Basel konnten nachweisen, dass das Riechen von ätherischen Ölen die gesamte Gehirnaktivität verbessert. Bei der Studie war eine neunundneunzigjährige Dame aufgefallen, weil sie immer so viel wacher, interessierter und aufmerksamer schien, wenn ihre Tochter sie mit ätherischen Ölen

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