Das kleine Haus am Meer (Romantischer Lady-Krimi)(German Edition)
sie hinter dem Rechtsanwalt her. »Ich… würde Sie gern etwas fragen«, begann sie zögernd.
Der Mann drehte sich um. Ein mitleidiger Blick traf die junge Frau. Offensichtlich wusste er ganz genau, was in Silvia vorging, denn er beantwortete ihre Frage, noch ehe sie sie gestellt hatte. »Nein, es hat noch niemand das Haus betreten, seit Ihre Tante tot ist«, sagte er bedrückt. »Es ist alles so geblieben wie zu ihren Lebzeiten. Da sie keine weiteren Verwandten hatte und auch keine Freunde, wurde das Haus verschlossen und nach einem Erben gesucht.«
»Danke«, murmelte Silvia Rosen und ging rasch weiter. Obwohl sie die Tante gar nicht gekannt hatte, ging ihr deren Tod plötzlich nahe. All die Kleinigkeiten, die herumlagen, zauberten ein Bild von der Unbekannten, als wäre sie noch anwesend.
»Hier ist die Küche», erklärte der Mann, »und wenn Sie durch diese Tapetentür gehen, dann gelangen Sie geradewegs ins Wohnzimmer. Es war Klaras Lieblingsraum«, fügte er dann noch mit einem wehmütigen Lächeln hinzu.
Das überraschte Silvia. Bis jetzt hatte sie den älteren Rechtsanwalt eigentlich für einen gefühllosen, verknöcherten Mann des Gesetzes gehalten. »Haben Sie meine Tante gekannt?« fragte sie und wunderte sich selbst über ihren Mut.
Der Anwalt zuckte unmerklich zusammen. »Ich… ein wenig«, gestand er dann, was die junge Frau ihn jedoch nicht glauben konnte. Sein Verhalten, sein Blick sprachen eine andere Sprache.
Dennoch beschloss sie, im Augenblick nicht mehr weiter auf dieses Thema einzugehen, denn er schien fest entschlossen zu sein, das Geheimnis für sich zu behalten. Schweigend gingen sie weiter, bis der Anwalt wieder vor einer der dunklen Türen stehenblieb.
»Dies hier ist das Prunkstück des Hauses«, begann er. »Klaras Bibliothek ist voll von unübersehbaren Schätzen und Kostbarkeiten. Eigentlich waren das ihre einzigen beiden großen Lieben: Bücher und Bilder. Und dann natürlich noch die Blumen. Das hätte ich fast vergessen. Wenn Sie einen Rundgang durch den herrlichen Garten machen, werden Sie Ihre Tante vielleicht ein wenig besser kennenlernen.«
Silvia nickte. »Mir ist vorhin schon die üppige Vegetation aufgefallen, als ich zum Haus fuhr.«
»Ihre Tante malte übrigens selbst. Sie brachte alles zu Papier, was sie sah. Das Atelier ist unter dem Dach. Sie werden staunen.«
»Ich wusste gar nicht, dass sie künstlerisch veranlagt war«, murmelte Silvia überrascht. »Keiner in meiner Familie ist in irgendeiner Weise Künstler – außer mir. Jetzt bedaure ich es noch mehr, dass ich sie nie kennenlernen durfte, zumindest nicht bewusst«, gestand sie dem älteren Mann. »Sie hätte mir noch viel beibringen können. Ich male nämlich auch«, fügte sie stolz hinzu. Eigentlich hatte sie gar nicht so viel von sich Preis geben wollen, denn gerade das Malen war es gewesen, das ihren Eltern überhaupt nicht gefallen hatte. Langsam begann sie auch zu begreifen, weshalb vor allem der Vater so gegen diese Begabung, die sie zweifellos hatte, wetterte. Es war die Ähnlichkeit mit Tante Klara, deren Namen in der Familie immer schamvoll verschwiegen wurde.
»Ich bin sicher, Sie hätten sich gut mit Klara verstanden. Vielleicht hatte sie Ihnen deshalb ihr ganzes Hab und Gut vermacht.«
»Tante Klara wurde bei uns zu Hause nie erwähnt. Ich wusste zwar, dass eine Schwester meines Vaters existiert, und ihren Namen kannte ich auch.« Silvia zog nachdenklich die Stirne hoch. »Bis heute jedoch weiß ich den Grund für dieses fast verächtliche Schweigen nicht.«
»Oh, den könnte ich Ihnen schon nennen.« Der Anwalt machte ein bekümmertes Gesicht. »Doch es ist mir leider untersagt, darüber zu sprechen. Es fällt nicht mehr in meine Kompetenz.«
Silvia Rosen zuckte betont gleichgültig die Schultern, obwohl sie zu gern weitergefragt hätte. Irgendwann würde sie dieses Geheimnis schon lüften, nahm sie sich vor. Dann schlenderte sie zum Fenster und schaute hinaus. Plötzlich fiel ihr dieses herrliche Anwesen wieder ein, das sie auf ihrer Fahrt hierher entdeckt hatte.
»Vorhin sprachen Sie von den Gerlachs als meinen einzigen Nachbarn«, begann sie zögernd. »Was sind das eigentlich für Leute?«
Der Anwalt lachte leise. »Leute ist zuviel gesagt. Eigentlich handelt es sich nur um einen einzigen Mann. Ich kenne den jungen Grafen auch nur flüchtig. Er lebt ziemlich zurückgezogen und nimmt auch nie an Partys oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen teil. Sein Vater war einige Male
Weitere Kostenlose Bücher