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Das kleine Reiseandenken

Das kleine Reiseandenken

Titel: Das kleine Reiseandenken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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wieder. Der ganze Auftritt mit der Tante war so abscheulich, so häßlich gewesen – nein, davon wollte sie Inge nichts erzählen.
    Nein. Inge durfte nichts erfahren. Aber was sollte sie tun?
    Sie starrte vor sich hin. Die Empörung in ihrem Innern legte sich, und eine große Gleichgültigkeit überkam sie. Sie mußte wohl zurück. Aber dann wollte sie durch den Ladeneingang gehen. Im Laden konnte ihr nichts geschehen. Es konnten ja jeden Augenblick Kunden kommen.
    Sie blickte auf die Uhr an der Kirche. Fast zwei Stunden hatte sie hier gesessen. Sie stand auf und ging langsam durch die sonnenheißen Straßen zurück.
    Im Laden war es fast kühl. Es waren gerade keine Kunden da.
    „Wo bist du gewesen?“
    „Im Park.“
    „Hm. Es ist jemand hiergewesen und hat nach dir gefragt.“
    „Fräulein Skovsgaard?“
    „Nein. Eine Frau Hall. Sie wollte dich einladen. Ihre Tochter hat am nächsten Samstag Geburtstag.“
    „Lise?“
    „Wie sie heißt, weiß ich nicht.“
    „Ja – darf ich hingehen?“
    „Gott behüte – natürlich. Ich werd dich doch nicht wie ‘ne Sklavin festhalten! Du mußt jetzt einholen gehen. Hier…“ Tante Agate holte etwas Geld aus der Schublade, „du kannst heute Karbonaden kaufen. Und ein paar Erdbeeren. Sie kosten jetzt nicht alle Welt, soviel ich weiß.“ Ingrid mußte plötzlich hüsteln, um ihr Erstaunen zu verbergen. Alles hatte sie erwartet, nur dies nicht. Es kostete sie eine unglaubliche Anstrengung, nur „jawohl, Tante“ zu sagen.
    „Und – äh – hast du überhaupt ein anständiges Kleid, wenn du zu dem Geburtstag gehen willst?“
    „Ich hab das blaukarierte.“
    „Nichts weiter?“
    „Nein.“
    „Drüben an der Ecke bei Mortensen & Co. ist Ausverkauf. Die haben billige Kleider vom vorigen Jahr. Ich kann nicht mitkommen wegen des Ladens. Aber du kannst hingehen und dir ansehen, was sie haben, und dann kannst du mir sagen, wieviel man für ein passendes Kleid ausgeben muß.“
    Jetzt mußte sich Ingrid eiligst in die Küche verziehen, um sich hinzusetzen und in den Arm zu kneifen.
    Sie hätte kaum erschrockener sein können, wenn die Tante ihr gesagt hätte, sie solle zu dem Goldschmied gehen und sich einen Diamantring kaufen.
    Am selben Abend noch war Ingrid zu ihrer eigenen, größten Verwunderung im Besitz eines kleingeblümten Sommerkleides mit Glockenrock und kleinen Puffärmeln. Es hatte im Fenster gehangenund war ein wenig angeschmutzt. Deshalb wurde es für vierzig Kronen losgeschlagen.
    Beim Mittagessen war Tante Agate beinahe leutselig. Sie sagte, die Karbonaden seien gut gebraten, und als sie die Tageskasse durchgezählt hatte, reichte sie Ingrid einen Zehnkronenschein.
    „Hier. Du wirst ein bißchen Taschengeld brauchen. Ich kann dir zehn Kronen die Woche geben, dann hast du ‘n bißchen für die Straßenbahn und so was.“
    Die kleine Ingrid war nicht dumm. Aber sie war jung und unerfahren und konnte nicht bis auf den Grund von Tante Agates Seele loten. Sie verstand wohl, daß Tante Agate versuchte, etwas wiedergutzumachen. Doch den Anlaß dazu wußte sie nicht.

Wiedersehen mit alten Bekannten
     
     
    Eine aufgeregte und erwartungsvolle Ingrid ging am Sonntag zur Geburtstagsgesellschaft von Lise Hall. Das Kleid war gewaschen und gebügelt worden; kein Mensch konnte sehen, daß es zu halbem Preis im Ausverkauf erstanden war. Ihr Haar schimmerte blank vom vielen Bürsten; an den Füßen trug sie Inges hübsche Schuhe.
    Sie fuhr mit der Straßenbahn zu Inge, und dann stiegen sie zusammen – Dixi an der Leine – in die S-Bahn.
    Ingrid sollte einen wundervollen Nachmittag erleben.
    Der lange Kaffeetisch war im Garten unter einer Blutbuche gedeckt worden. Zehn Mädchen in Ingrids und Lises Alter – zwischen vierzehn und fünfzehn – saßen daran. Einige versuchten mit Ingrid deutsch zu sprechen und hatten ihren Spaß an Ingrids Dänisch. Nicht eine Sekunde fühlte Ingrid sich beiseite geschoben. Sie war eine der Fröhlichsten, als nach Tisch auf dem großen Rasenplatz gespielt wurde. Im Vorüberlaufen winkte sie Inge zu, die in einem Gartensessel saß und zeichnete, daß der Stift nur so flog. Für sie, die am liebsten Kinder zeichnete, war es eine Lust, diese zehnhellgekleideten, lebhaften Mädels vor sich spielen zu sehen.
    Ingrid ahnte nicht, wie es zu dieser Einladung gekommen war. Sie wußte nicht, daß Inge gerade an dem Tag, als sie auf der Treppe gesessen und vergebens gewartet hatte, bei Halls gewesen war. Sie wußte nicht, daß sie alle bis in

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