Das kleine Reiseandenken
gesagt hast, daß ich die beiden oft allein lasse.“
„Ja, weißt du“, sagte Tante Margrete, als sie den restlichen Speckzurück in den Kühlschrank legte, „es ist besser, daß die beiden dich vermissen und sagen ,aber wo ist bloß Ingrid?’, als daß sie dich satt haben und denken ,ach, wenn das Mädchen uns doch endlich allein lassen würde!’“
„Du bist klug, Tante Margrete“, sagte Ingrid.
„Na, das weiß ich nun nicht – aber ein blindes Huhn findet auch manchmal ein Körnchen!“
„Nicht nur das“, lächelte Ingrid. „Das blinde Huhn lehrt das Küken, wie man ein Körnchen findet!“
„Du wirst bestimmt viele finden“, sagte Tante Margrete mit einem kleinen Zwinkern. „Aber wie dem auch sei, jetzt mußt du dich mit deinem Teig zurückziehen, ich muß den Speck braten!“
Der Heilige Abend wurde so schön wie er immer wird in Familien mit Kindern. Und in Familien, wo man sich gern hat und sich gut versteht. Da gab es keine sehr großen, teuren Geschenke, aber was es gab, kam von Herzen. Lauter nützliche und praktische Sachen. Inge hatte bei ihrer Abreise ein Paket hinterlassen mit einer großen Aufschrift: „Zutritt verboten! Erst am 24. 12. aufmachen!“
Jetzt wurde es ganz feierlich geöffnet. Da waren lauter kleine hübsche Päckchen drin, für jedes Familienmitglied eins. Ein Spielauto für Hänschen, eine Puppe für Grete, Monika bekam einen Federkasten, Elke Strumpfhosen und Ingrid ein Paar Hausschuhe. Für Tante Margrete war ein netter, bunter Hauskittel drin, und für Onkel Peter eine ganz feine, große Taschenlampe.
„Was ist deine Inge für ein lieber Mensch“, sagte Tante Margrete. „Sie hat sich genau gemerkt, was wir brauchen!“
„Und sie kann bestimmt unser Paket auch gebrauchen“, meinte Ingrid. Sie hatte persönlich einen Christstollen für Inge gebacken, und Tante Margrete hatte ein großes Stück Landschinken geschickt.
„Dann verhungern sie ja nicht“, sagte Onkel Peter. „Eine Woche halten sie noch durch, und dann kommst du ja und versorgst sie.“
Ja, nur noch eine Woche und zwei Tage! Ingrid freute sich, und war auch ein bißchen ängstlich. Allerdings hatte sie sehr viel vonTante Margrete gelernt. Aber ob Jan mit den einfachen Gerichten zufrieden sein würde?
Nun ja, morgen sollte es Kasseler Rollbraten geben, und Ingrid hatte sich fest vorgenommen, nicht von Tante Margretes Seite zu weichen, während sie den zubereitete!
Diese letzten Tage flogen nur so dahin, und dann packte Ingrid am Abend des Neujahrstages ihren Koffer. Sie freute sich auf das, was sie erwartete. Gleichzeitig war es ein komisches und etwas wehmütiges Gefühl, alles hier zu verlassen.
„Laß man“, sagte Onkel Peter. „Diesmal weißt du jedenfalls, daß du es gut hast. Es war anders, als du nach Dänemark fuhrst. Wenn du damals geahnt hättest…“
„Dann wäre ich doch gefahren, Onkel Peter“, sagte Ingrid. „Denn wenn ich überhaupt Ahnungen gehabt hätte, hätte ich auch geahnt, daß ich Inge kennenlernen würde. Und das war die ganze schlimme Zeit bei Tante Agate wert!“
Vierundzwanzig Stunden nach diesem Gespräch stand Ingrid in einem kleinen, netten Zimmer in einer Etagenwohnung in München und packte ihren Koffer aus. Nun ja, Etagenwohnung – es war eine Mansarde, aber eine ganz große. Der Mittelpunkt der Wohnung war Inges Atelier mit großen Dachfenstern. Da war auch eine gemütliche Sitzecke mit Fernseher und Radio. Dann hatte Jan ein kleines Arbeitszimmer zum Rollenstudieren. Auf der anderen Seite des Flurs waren das Schlafzimmer, Küche und Bad und Ingrids Zimmer. Gegessen wurde in der Küche, da war eine recht nette Eßecke eingerichtet. „Wenn wir Gäste haben, essen wir eben im Atelier“, hatte Inge erklärt, als sie Ingrid durch die Wohnung führte.
Inge hängte ihre Sachen in den Kleiderschrank, legte die Unterwäsche in die Schubladen. Da kam Inge mit Dixi an. Er war überglücklich, weil er sein Frauchen wiederhatte.
„Nun, Ingridlein, findest du dich auch zurecht hier?“
„O ja, wunderbar. Du hast alles so schön für mich eingerichtet, Inge! Und weißt du, es ist das erste Mal in meinem Leben, daß ich ein Zimmer für mich habe! Denn ich rechne nicht das Wohnzimmer bei Tante Agate, wo ich auf ihrem Plüschsofa schlief!“
„Dafür schläfst du jetzt auf meiner Couch aus Kopenhagen“, lächelte Inge.
„Ja, ich erkenne sie wieder! Und auch den Schrank und den Korbsessel! Nur der kleine Tisch fehlt.“
„Der steht im Atelier. Und
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