Das kleine Reiseandenken
kann! Das neueste ist, daß er mir verboten hat, das Tonbandgerät anzuheben.“
„Und ich muß jeden Morgen mein Ehrenwort geben, daß ich gut auf dich aufpasse!“ schmunzelte Ingrid. „Aber im Ernst, Inge, er freut sich doch so ganz schrecklich auf das Kind!“ Da kam ein warmes Leuchten in Inges Augen.
„Ja, das tut er! Ach, Ingridlein, er ist doch der liebste und beste Mann auf der Welt, er ist nur zur Zeit ein bißchen… ein bißchen…“
„Übertrieben“, schlug Ingrid vor. „Aber jedenfalls trage ich jetzt die schwere Bodenvase ins Wohnzimmer, sonst könnte ich nachher Jan nicht unter die Augen treten! Ach, da ist die Post, ich laufe schnell nach unten! Nein, du darfst nicht, Inge, all die Treppen…“ Es hatte zweimal geklingelt. Ingrid lief schon zur Tür.
„So, nun fängst du auch an“, stöhnte Inge. „Es würde mich nicht wundern, wenn Jan hier einen Lift einbauen ließe, damit seine zarte Frau keine Treppen zu steigen braucht!“
Ingrid brachte eine Zeitschrift und ein paar Briefe, einer davon hatte dänische Marken. Inge machte ihn auf und las schnell.
„Ach, du heiliger Bimbam! Jetzt wird Jan Zustände kriegen, wenn ich ihm erzähle, daß ich für ein paar Tage nach Kopenhagen muß!“
„Was? Nach Kopenhagen?“
„Eben. Ich muß unbedingt dort ein paar Sachen in Ordnung bringen. Es geht um den Verkauf eines Bildes, und vielleicht gibt es auch eine neue Bestellung. Na, das ist ja nicht schlimm, ich fliege eben, und ein paar Tage kannst du wohl Jan und Dixi ohne meine wertvolle Hilfe versorgen?“
„Das werde ich wohl können. Aber was Jan dazu sagt? Ich fürchte, du hast recht, er wird Zustände kriegen!“
Inge behielt recht. Denn als sie am Mittagstisch ihrem Mann von dem Brief und der Reise erzählte, legte er Messer und Gabel aus der Hand und starrte seine Frau entsetzt an.
„Was? Reisen? Fliegen? Du bist wohl nicht bei Trost? Und jetzt, wo ich die schwere Rolle einstudiere – jetzt, wo ich täglich die langen Proben habe…“
„Aber lieber Jan, du kannst ruhig weiterproben. Du bist es doch nicht, der nach Kopenhagen muß!“
„Ich lasse dich doch nicht allein fahren! Mit einem schweren Koffer. Und allein im Hotel wohnen, womöglich im fünfzehnten Stock. Und wenn dort ein Feuer ausbräche oder…“
„…oder ein Tornado“, sagte Inge trocken. „Lieber Jan, ich werde bei Familie Hall wohnen, das Fremdenzimmer liegt im Parterre, und ich brauche nur einen kleinen Koffer, und…“
„… und schwangere Frauen dürfen nicht fliegen!“ rief Jan.
„Das ist mir neu“, sagte Inge. „Aber meinetwegen, ich kann gern mit der Bahn fahren.“
„Eins sagte ich dir!“ kam es energisch von Jan. „Ich lasse dich nicht allein fahren! Wenn es unbedingt sein muß, dann fahr eben, aber dann nimmst du Ingrid mit!“
„Das tu ich gern. Es ist allerdings vollkommen überflüssig, aber wenn du meinst. Und was ist mit Dixi?“
„Er wird vor und nach den Proben Gassi geführt, und während der Probe schläft er in meiner Garderobe. Nur Ingrid muß dafür sorgen, daß genug Hundefutter im Tiefkühlfach ist.“
„Ich werde auch für ein bißchen Menschenfutter sorgen“, lächelte Ingrid. „O Jan, das ist großartig, daß du um Inge so besorgt bist. So komme ich zu einer Kopenhagenreise!“
„Aha, du sehnst dich wohl nach deiner geliebten Tante Agate!“ neckte Jan.
„Sehnen ist wohl ein bißchen übertrieben. Aber wißt ihr was, wenn ich nach Kopenhagen komme, ist es schon möglich, daß ich bei ihr reingucke, nur um guten Tag zu sagen. Sie ist so furchtbar einsam – sie macht sich selbst das Leben so unendlich grau…“
„Eigentlich bist du ein liebes Mädchen, Ingrid“, sagte Jan. „Na denn, fahrt in Gottes Namen los, ihr beiden. Und du Ingrid paßt wie ein Schießhund auf, daß Inge keinen Koffer trägt und daß sie…“
„…Herrn Hall sagt, er darf nur im ersten Gang fahren, wenn er uns am Bahnhof abholt“, schlug Ingrid vor.
„Und dich habe ich ein liebes Mädchen genannt!“ brummte Jan. „Eine unverschämte Göre bist du! Jedenfalls bin ich sehr froh, daß du mitfährst!“
Froh war Ingrid auch. Sich vorzustellen, wieder mit Inge zu reisen, so wie damals, und die reizende Familie Hall wiederzutreffen!
Daß sie beide willkommen waren, das wußte sie. Als sie im September ihren Abschiedsbesuch bei Halls gemacht hatten, waren Frau Halls letzte Worte: „Und vergeßt nicht, ihr seid jederzeit allerherzlichst willkommen, beide! Unser Fremdenzimmer
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