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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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dem Eingang des Wirtshauses hing von einer Eisenstange ein hölzernes Tavernenschild, das einen bunt gekleideten Lautenspieler
zeigte, dem traubendicke Tränen über das pausbäckige Gesicht liefen, während er die Saiten zupfte.
    Lauretia führte sie nicht durch den vorderen Eingang in das Wirtshaus, sondern ging mit ihnen durch einen Durchgang in den Hinterhof. Dort wickelte sie den Zügel ihres Pferdes an einen Eisenring, der neben der Hintertür an der Hauswand befestigt war.
    »Wartet hier! Ich gehe erst mal allein hinein und sage Mechthild, dass ich rechtschaffene und gottesfürchtige, aber mittellose Gäste für sie habe, die dringend einige Tage der Ruhe und Erholung bedürfen«, flüsterte sie ihnen zu. »Und vergesst nicht, was wir besprochen haben. Ihr seid mir vor einigen Monaten bei Eichstätt im Altmühltal in einer brenzligen Situation zu Hilfe geeilt und habt mich vor üblen Strauchdieben bewahrt, die mich ausrauben wollten.«
    Sebastian nickte und gab leise zurück: »Und jetzt hast du uns vor der Stadt wiedergetroffen und willst uns unsere mutige Tat von damals unbedingt vergelten, indem du hier für einige Tage das bescheidene Kost- und Logisgeld für uns übernimmst.«
    Lauretia zwinkerte ihm zu. »Was du doch für ein heller Kopf bist«, scherzte sie leise und verschwand dann durch die Tür.
    Wenige Minuten später kehrte sie in Begleitung einer stämmigen Frau zurück, deren Oberarme kaum weniger Umfang als ihre nicht eben schlanken Schenkel besaßen. Dunkler Bartflaum bedeckte ihre Oberlippe. Man sah ihr auf den ersten Blick an, dass sie eine resolute Person war, die hart zupacken konnte, wenn die Lage es erforderte, und die in ihrer Wirtsstube keinen Streithals und Krakeeler fürchtete. Doch ihr fülliges Gesicht mit den murmelkleinen Augen nahm einen freundlich warmen Ausdruck an, als Lauretia auf Sebastian und Bruder Scriptoris deutete und sagte: »Das sind also meine damaligen Retter, Bruder Bonifatius und Bruder Florian, von
denen ich Euch erzählt habe und denen ich womöglich mein Leben verdanke.«
    »Nun, wenn Ihr so großmütig seid, die Kosten zu übernehmen, Lukas, sollen sie uns von Herzen willkommen sein«, sagte Mechthild mit einer wohltönenden Bassstimme. »Es ist tröstlich zu hören, dass sich nicht nur gottloses Gesindel auf unseren Landstraßen herumtreibt, von dem es leider auch genügend im Gewand des Gottesmannes gibt, sondern auch noch wahrhaft fromme und uneigennützige Männer, die ihr eigenes Leben gering schätzen, wenn andere ihres Beistandes bedürfen!«
    Die Wirtsfrau führte sie über die Hinterstiege zu den Gastkammern unter dem Dach. Bevor sie wieder hinunterstieg, vergaß sie jedoch nicht zu erwähnen, dass sie ihnen das größte ihrer drei Gästezimmer gegeben habe, aber doch nur den Preis für das kleinste zu berechnen gedenke.
    Lauretia und die beiden angeblichen Bettelmönche dankten ihr gebührend und warteten dann schweigend hinter geschlossener Tür, bis ihre schweren Schritte auf der Treppe verklungen waren.
    »So weit, so gut«, sagte Bruder Scriptoris und schlug die regennasse Kapuze zurück.
    »Gut? Na, ich weiß nicht«, sagte Sebastian mutlos und ließ seinen Blick durch das Dachzimmer mit der schrägen Decke schweifen, das mit drei Personen zwischen den beiden primitiven Bettstellen und dem schmalbrüstigen Waschtisch neben der Tür wirklich keinem weiteren Besucher mehr Platz geboten hätte. Das gerade mal brustgroße und völlig verdreckte Fenster im Giebel ging auf den Hinterhof hinaus. Die Kammer war damit nicht gerade gemütlicher als die Zelle, die man ihm im Kloster zugewiesen hatte.
    »Auch den kleinen Segnungen in unserem Leben gebührt Dank«, erwiderte Bruder Scriptoris. »Und wir haben in den
letzten Tagen und Nächten für mehr als nur kleine Segnungen zu danken.«
    »Ja, schon... und ich will auch nicht undankbar sein«, sagte Sebastian. »Aber...«
    »Ich weiß. Wir alle kennen das große Aber, Sebastian«, fiel ihm der Mönch ins Wort. »Und es bedrückt uns nicht weniger als dich.«
    Sie setzten sich auf die Betten und zerbrachen sich einmal mehr den Kopf, was sie bloß tun konnten, um Ekkehard von Wittgenstein aus der Gewalt seines Bruders zu befreien. Aber ihre Mühen blieben so fruchtlos wie bei allen vorherigen Versuchen.
    Dass Lauretia sich schon einige Minuten nicht mehr an ihren verzweifelten Überlegungen beteiligt hatte und ganz in eigenen Gedanken versunken war, fiel Sebastian erst auf, als er eine Frage an sie richtete

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