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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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unbemerkt durch das Stadttor zu kommen.«
    »Wieso das?«, fragte Sebastian.
    »Weil sich dann halb Passau draußen vor der Stadt am Richtplatz versammeln wird, um sich das schauerliche Spektakel der Hinrichtung der beiden Wiedertäufer nicht entgehen zu lassen«, erklärte Lauretia.
    Sebastian erschrak, als er das hörte, musste er dabei doch unwillkürlich daran denken, dass seinem Vater und dessen Freund Leonhard Kaiser womöglich das gleiche Schicksal drohte. »Die Hinrichtung der beiden findet schon übermorgen statt?«
    Lauretia nickte. »Und wenn dann die Menge hinterher wieder in die Stadt zurückströmt, wird keine der Wachen zwei
abgerissenen Bettelmönchen irgendwelche Beachtung schenken. Bis übermorgen weiß ich auch, wo ihr in Passau eine sichere Unterkunft findet.«
    Da weder Sebastian noch Bruder Scriptoris eine bessere Alternative wussten und sie sich einig waren, dass sie wohl einige Tage Zeit brauchten, um sich einen halbwegs realistischen Plan zur Rettung von Sebastians Vater einfallen zu lassen, beschlossen sie, Lauretias Vorschlag anzunehmen.
    »Am besten machen wir uns jetzt gleich auf den Weg«, sagte sie. »Ich kenne einige abgelegene Feldwege, die uns zum Bauernhof bringen, ohne dass wir über die Landstraße müssen.«
    Als sie aufbrachen, sagte der Mönch leise zu Sebastian: »Deine Lauretia gefällt mir. Sie hat das Herz auf dem rechten Fleck und einen bewundernswerten Mut! Danke Gott dafür, dass er sie dir über den Weg geführt und du ihr Herz entflammt hast!«
    »Glaubt mir, das tue ich auch!«, erwiderte Sebastian mit einem stolzen Lächeln. »Und nicht erst seit heute!«
    »Ich bete zu Gott, dass euch das Glück vergönnt ist, das ihr verdient habt, und auch die schreckliche Geschichte mit deinem Vater ein gutes Ende nimmt«, murmelte der Mönch noch. Doch aus seiner Stimme klang nicht Zuversicht, sondern die kummervolle Sorge, dass sein Gebet sich wohl kaum erfüllen würde.

3
    Die viele tausend Köpfe zählende Menschenmenge verengte sich vor dem wuchtigen Stadttor von Passau zu einem dichten Gedränge, das immer wieder ins Stocken geriet. Es war, als würde ein sich breit dahinwälzender Strom plötzlich gezwungen, ein Nadelöhr zu passieren. Etliche von den Schaulustigen waren schon in den frühen Morgenstunden vor die Mauern von Passau geeilt, um einen der vorderen Plätze auf dem Richtplatz zu ergattern. Beinahe hätte das Wetter die grausame Hinrichtung buchstäblich ins Wasser fallen lassen. Denn gerade als die Henkersknechte zu ihren Pechfackeln gegriffen hatten und die Scheiterhaufen in Brand stecken wollten, hatten sich die Himmelsschleusen geöffnet und einen dichten Sommerregen aus den dunklen Wolken stürzen lassen. Eine ganze Weile hatte es so ausgesehen, als wollte der Regen wie ein Gottesurteil die hektischen Versuche der Henkersknechte, ein loderndes Feuer unter den Verurteilten zu entfachen, zunichte machen. Aber schließlich hatte sich das Feuer dann doch noch seinen Weg durch die Holzstöße gefressen und nach den Körpern der beiden Unglücklichen gegriffen. Nun jedoch gab es nichts mehr, was es mit gottesfürchtigem Schaudern oder bösartiger Lust zu begaffen gab. Jetzt setzte bei vielen die Ernüchterung und ein klammes Unwohlsein ein. Nur wenige in der Menge ließen sich auf dem Weg zurück in die Stadt mit mitleidloser Genugtuung oder gar Häme über das aus, was sie an fürchterlichem Leiden auf dem Richtplatz verfolgt hatten. Einige jedoch zürnten dem Passauer Scharfrichter Hubertus Haberstroh, der sich geweigert hatte, die Vollstreckung der Todesurteile persönlich vorzunehmen. Angeblich hatte er sich
geweigert, zum Handlager der Kirchenoberen zu werden, die den Wiedertäufern zwar bescheinigt hatten, der Ketzerei überführt zu sein, es dann aber wie üblich der weltlichen Macht überlassen hatten, das formelle Todesurteil auszusprechen und die Hinrichtung anzuordnen. Wie es hieß, hatte sich der Scharfrichter mit seiner Weigerung zwar eine Menge Ärger eingehandelt, sich letztlich aber durchgesetzt.
    In erdbraune, schäbige Kutten von herumziehenden Bettelmönchen gekleidet, bewehrt mit einem knorrigen Wanderstab, die hölzerne Bettelschale am Gürtelstrick und die Gesichter mit Dreck verschmiert, so bewegten sich Sebastian und Bruder Scriptoris in der langsam dahinziehenden Menschenmenge, die man leicht mit einem Trauermarsch nach der Beerdigung eines bedeutenden Mannes verwechseln konnte, auf das Stadttor zu. Sie hatten die Kapuzen hochgeschlagen,

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