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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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Und wo kann man das besser als in den Wirtshäusern rund um den Domplatz, aber auch andernorts. Jedenfalls bin durch die Tavernen gezogen und habe meinen Mitzechern so manche Runde spendiert. Denn bekanntlich sitzt die Zunge umso lockerer, je mehr Branntwein oder Bier man in sich hineingekippt hat.«
    »Deshalb haben wir dich also so selten zu Gesicht bekommen«, bemerkte Bruder Scriptoris.
    Lauretia nickte. »Nun, das Geld, das ich in den Wirtsstuben
gelassen habe, hat schließlich die erhofften Früchte getragen. Man redet gern über die Reichen und Mächtigen der Stadt, und es ist erstaunlich, was die Leute so alles über das Leben und Treiben der Männer wissen, die sie unter ihrer Knute halten. So habe ich zum Beispiel erfahren, dass Tassilo es mit der Keuschheit ebenso wenig hat wie so viele andere Kanoniker, die sich ganz unverhohlen Mätressen halten, Dirnen aufsuchen und sich mit jungen Burschen verlustieren.« Sie verzog abfällig das Gesicht. »Aber warum sollte ausgerechnet er besser sein als Päpste, Kardinäle und Bischöfe, die völlig schamlos der Unzucht frönen, oder die Nonnen in manchen Klöstern, deren Konvente sich manchmal nicht sonderlich von Hurenhäusern unterscheiden!«
    Der Mönch gab einen tiefen, kummervollen Stoßseufzer von sich. »Ich wünschte, ich könnte dir da in deinem harschen Urteil widersprechen. Aber leider hast du das Übel recht treffend beschrieben«, räumte er ein. »Es bleibt mir nur der schwache Trost, dass zum Glück nicht alle Glieder unserer Kirche diesen Geruch moralischer Fäulnis verströmen.«
    »Und was ist nun mit Tassilo?«, wagte Sebastian zaghaft zu fragen. »Geht auch er zu käuflichen Frauen oder lässt er sich junge Männer kommen?«
    »Bei der Frau, die er regelmäßig aufsucht, handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Dirne, sondern um eine recht vermögende Kaufmannswitwe«, teilte ihnen Lauretia mit. »Ihr Name ist Ämilia Gerwald und sie lebt drüben auf dem rechten Ufer des Inn. Das Haus, das sie dort in der Innstadt bewohnt, steht direkt hinter der Brücke am Kirchplatz an der Ecke zur Lehmgrubengasse.«
    »Interessant«, sagte der Mönch, und sein unbestimmter Tonfall ließ völlig offen, ob er tatsächlich interessiert war oder eher skeptisch.

    »Tassilo ist offenbar ein Mann, der nichts von impulsiven Entscheidungen hält, sondern bei dem alles seine Ordnung und Regelmäßigkeit haben muss«, führte Lauretia ihre Ausführungen spöttisch weiter. »Jedenfalls ist unter seinen Dienstleuten allseits bekannt, dass er seine hübsche und noch recht junge Geliebte jeden Sonntag, Mittwoch und Freitag in der Innstadt aufsucht. Und immer zur selben Zeit. Aber seine Gefühle für sie gehen wohl nicht so weit, dass er das Bedürfnis verspürt, bei ihr auch zu übernachten, sondern er trifft stets am späteren Nachmittag bei ihr ein und kehrt bei Anbruch der Dämmerung schon wieder in die Domstadt zurück.«
    »Genau zu wissen, wann er zu ihr geht und wann er ihr Haus wieder verlässt, das klingt vielversprechend!«, entfuhr es Sebastian, und er schämte sich einmal mehr, dass er ihr vorhin so übellaunig über den Mund gefahren war und ihren Vorschlag als irrwitzig abgetan hatte. Er wünschte, er wäre jetzt mit ihr allein, um sie in den Arm nehmen und mit einer Flut von Küssen Abbitte für seine Dummheit und Ungehörigkeit leisten zu können. Doch so musste er sich mit einem stummen, eindringlichen Blick begnügen, mit dem er noch einmal um Verzeihung bat.
    Sie verstand, was er ihr damit sagen wollte, und entließ ihn aus seiner Beschämung, indem sie seinen Blick mit einem zärtlichen Lächeln erwiderte.
    »Die ganze Sache hat nur einen Haken«, sagte sie dann. »Tassilo lässt sich immer in seiner prächtigen Kutsche zu seiner Ämilia bringen. Und dann begleiten ihn stets drei seiner bewaffneten Dienstleute. Es sind immer dieselben: der fiese Jodok auf dem Kutschbock und hinten auf dem Trittbrett zwei Männer, die auf die Namen Baldus und Rupert hören. Diesem Dreigespann unter seinen Handlangern gehört offenbar sein besonderes Vertrauen.«

    »Also, mit drei von diesen groben Kerlen, die zweifellos bestens mit einer Klinge umzugehen wissen, können wir es natürlich nicht aufnehmen«, sagte Bruder Scriptoris.
    »Ja, ausgeschlossen«, pflichtete Sebastian ihm bei, und er erinnerte sich mit Schaudern an den ungleichen Kampf im Moor, den Elmar und Ansgar nicht überlebt hatten und der auch ihm den Tod gebracht hätte, wäre er nicht wundersamerweise

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