Das Kloster der Ketzer
Fluss, der noch immer im unverminderten Widerschein des Feuers glühte. »Und was soll nun werden?«, murmelte er bedrückt.
Der Mönch setzte schon zu einer Antwort an, als hinter ihnen im Unterholz ein trockener Zweig knackte. Erschrocken fuhren sie herum.
Sebastian erkannte die Gestalt sofort, die wenige Schritte von ihnen entfernt hinter einem Gestrüpp hervortrat. Sein Gesicht leuchtete auf.
Es war Lauretia.
2
Aufmerksam hörte Lauretia zu, als Sebastian und Bruder Scriptoris ihr abwechselnd berichteten, was sich in den letzten Tagen und Stunden im Kloster ereignet hatte. Und der Schreck fuhr ihr noch nachträglich in die Glieder, als sie von den Morden des Priors erfuhr und dass die beiden Männer nur knapp dem Tod in den Flammen entkommen waren, den Bruder Sulpicius in der einstigen Kornmühle gelegt hatte, während sie gefesselt und geknebelt dort in der Werkstatt gelegen hatten. Eine gute halbe Stunde nach ihrem Eintreffen am Flussufer war sie auch über alles andere unterrichtet, was der Mönch kurz zuvor Sebastian erzählt hatte. Dass Tassilo von Wittgenstein der Bruder von Sebastians Vater und also Sebastians Onkel war, hatte auch sie im ersten Moment sprachlos gemacht.
Was nun werden sollte und was sie unternehmen konnten, um Sebastians Vater aus der Kerkerhaft zu befreien, erschien ihnen in dieser Stunde als unlösbares Rätsel.
»Die Festung Oberhaus ist stark bewacht und sogar für ein gewöhnliches Söldnerherr ohne eine langwierige Belagerung uneinnehmbar«, sagte der Mönch. »Sich dort unbefugt Zugang verschaffen zu wollen ist von vornherein eine aberwitzige Illusion und zum Scheitern verurteilt.«
Sebastian ließ den Kopf sinken. »Ich weiß ja, Ihr habt Recht. Aber irgendetwas müssen wir doch versuchen«, murmelte er niedergeschlagen.
»Ich finde, es ist noch zu früh, uns darüber den Kopf zu zerbrechen. Erst mal muss es doch darum gehen, wo ihr für die nächsten Tage einen sicheren Unterschlupf finden könnt«, sagte Lauretia. »Auf Dauer könnt ihr euch ja nicht hier im Wald versteckt halten.«
Bruder Scriptoris warf ihr ob ihrer Sachlichkeit in dieser kritischen Situation einen anerkennenden Blick zu. »Ein wahres Wort, junge Frau.«
»Zu Dornfeld können wir wohl auch nicht«, sagte Sebastian düster. »Der war heilfroh, als er mich endlich los war.« Dann fiel ihm plötzlich etwas ein, was er bislang zu fragen vergessen hatte. »Aber sag, Lauretia, hast du über Stumpe Kontakt mit dem Kapuzenmann aufnehmen können?«
»Ja, habe ich.«
»Und? Was lässt er mir ausrichten?«, fragte Sebastian gespannt.
Lauretia verzog das Gesicht zu einer spöttischen Miene. »Ich sollte dir von ihm sagen, dass du dich im Kloster auf jeden Fall ruhig verhalten, abwarten und deinen Novizenmeister nach dem verschwundenen Inhalt der Reisebibel fragen sollst. Ich denke mal, all diese Ratschläge sind nach dem, was heute Nacht passiert ist, hinfällig und nutzlos.«
»Ja, damit ist uns nicht geholfen!«, sagte Sebastian. »Allmählich kommt mir der Verdacht, dass uns der Bursche hinhält und womöglich ganz eigene, dunkle Interessen verfolgt, von denen wir nichts wissen sollen!«
»Immerhin hat er dir mehr als einmal das Leben gerettet«, erinnerte Lauretia ihn. »Aber auch das ist Schnee von gestern. Und jetzt lasst mich mal in Ruhe überlegen, wie ich euch helfen
kann. Mir wird schon etwas einfallen. Denn immerhin lebe ich schon lange genug in Passau, um über einige hilfreiche Bekanntschaften und Beziehungen zu verfügen.«
Lauretia machte schließlich den Vorschlag, dass sie sich für die Dauer des kommenden Tages erst einmal auf dem Hof des Bauern Hubert Schlittpacher verstecken sollten. Sie versicherte, dass sie dem Bauern Vertrauen schenken konnten und dieser gegen ein bescheidenes Handgeld auch keine neugierigen Fragen stellen würde.
»Ich besorge indessen neue Kleidung für euch«, fuhr Lauretia fort, während sie einen kurzen Seitenblick auf die Tonsur von Bruder Scriptoris warf. »Am günstigsten wird es für euch sein, wenn ihr euch in die Kluft von einfachen Bettelmönchen kleidet, die ja überall anzutreffen sind. Zudem bieten die in die Stirn gezogenen Kapuzen einen guten Schutz, wenn man sein Gesicht nicht unverhüllt zeigen will. Ich kenne einen Händler unten an der Floßlände, der mit alten Kleidern sein Geschäft macht und bei dem ich mir zwei dieser dunkelbraunen Wollkutten beschaffen kann. Und morgen am späten Vormittag ist für euch der beste Zeitpunkt, um ganz
Weitere Kostenlose Bücher