Das Kloster der Ketzer
sagte zu Sebastian: »Deine Bildung wird dir zweifellos eine große Hilfe auf dem Weg sein, den du ins Auge gefasst hast, Laurentius. Aber ist dir auch klar, wie grundlegend sich dein Leben ändern wird, wenn unser Vater Abt und meine Mitbrüder dich als Novizen für geeignet halten?«
»Ich glaube schon, Bruder Scriptoris«, sagte Sebastian und versuchte, Entschlossenheit zu zeigen, ohne dabei jedoch zu selbstsicher zu erscheinen.
»Das klösterliche Dasein ist von großer Strenge geprägt, so sieht es die Regel des heiligen Benedikt vor, nach der unser Orden sich zu leben verpflichtet hat!«, sagte der Novizenmeister mahnend. »Nur durch Härte lernt man, den eigenen Willen und die Lauheit des Herzens zu überwinden. Dafür wird man aber auch mit reichen Segensquellen für Geist und Körper belohnt. Doch der Weg dorthin ist mühselig, lang und mit vielen Versuchungen gepflastert!«
Sebastian hielt dem eindringlichen Blick des Mönches stand, der etwas eigenartig Unnahbares an sich hatte, und versicherte mit fester Stimme: »Ich bin entschlossen, alles zu tun, um diese Regeln zu befolgen und diese Segensquellen zu erlangen!«
Bruder Scriptoris ließ einige quälend lange Sekunden verstreichen, während er ihn reglos, stumm und durchdringend ansah, als wollte er bis zu seinen geheimsten Gedanken vorsto ßen und ihm das entreißen, was er in seinem Innersten vor ihm verbarg.
Sebastian brach der Schweiß aus. Ihm war, als müsste der Mönch ihn jeden Moment entlarven und ihm auf den Kopf zusagen, dass er ein schändlicher Lügner sei.
»Also gut«, brach Bruder Scriptoris schließlich das Schweigen. »Ich sehe im Augenblick nichts, was dagegen spräche,
dich erst einmal für einige Tage der Prüfung bei uns aufzunehmen, so wie wir es mit jedem Novizenanwärter tun.«
Sebastian atmete auf und musste an sich halten, nicht einen hörbaren Laut der Erlösung von sich zu geben. Die erste und wohl gefährlichste Klippe war erfolgreich umschifft! Er durfte bleiben! »Ich danke Euch.«
Der Novizenmeister schüttelte mit leicht ungnädiger Miene den Kopf. »Allein der Herr, unser Gott, schenkt das Wollen und das Vollbringen, alles steht in seiner Macht. Möge er dir den rechten Weg durch diese vergängliche Welt zeigen und deinen Blick auf das Unvergängliche lenken, damit du in allem sein Reich suchst.«
Sebastian nickte, schwieg und wartete.
»In diesen nächsten Tagen wirst du dich durch Gebet und die Lektüre der Heiligen Schrift prüfen, ob du für das Klosterleben geschaffen bist«, fuhr der Mönch fort. »Und wir, der Konvent, werden uns in dieser Zeit einen Eindruck von deiner Tauglichkeit verschaffen. Jeder, der um Aufnahme bittet, muss darauf hin geprüft werden, ob er im Geist auch von Gott ist. Wie es im ersten Johannesbrief geschrieben steht: ›Glaubt nicht jedem Geist, sondern erprobt die Geister, ob sie aus Gott sind.‹ 11 Sollten wir zu einem positiven Ergebnis kommen, wartet auf dich vor dem versammelten Konvent die Rezeption, die Aufnahme als Novize, und die Einkleidung. Danach bleibt dir dann ein volles Probejahr, in dem du dich jederzeit entscheiden kannst, ob du nicht doch lieber in das weltliche Leben zurückkehren möchtest. Niemand wird dir einen Vorwurf machen und dich nach Gründen für deine Entscheidung fragen. Aber dieses Recht, das Noviziat jederzeit zu beenden, liegt auch bei uns.«
»Ich verstehe.«
»Morgen werde ich dir eine Arbeit zuweisen, denn Müßiggang ist aller Laster Anfang. Der Geist braucht den Ausgleich durch der Hände Arbeit. Deshalb sieht die Regel auch vor, dass jeder einer Tätigkeit nachgeht, die der Gemeinschaft zugute kommt. Deshalb wirst du mir und Bruder Notker in der Druckwerkstatt zur Hand gehen. Ich erwarte dich dort morgen nach der Prim 12 und der Kapitelsitzung 13 «, teilte ihm Bruder Scriptoris mit. »Ich hoffe, du stellst dich auch mit deinen Händen so gelehrig an, wie du es in geistigen Dingen bewiesen hast. Ein Gehilfe mit zwei linken Händen reicht mir.«
»Ich werde mir alle Mühe geben, Euch nicht zu enttäuschen!«, versprach Sebastian eifrig und hoch erfreut von der Aussicht, das Druckhandwerk zu erlernen.
»Du wirst in diesen Tagen bis zu deiner möglichen Einkleidung jedoch nicht bei uns im Konventshaus wohnen, sondern eine Kammer über der Druckwerkstatt beziehen. Denn unser Gästehaus ist leider mit einem Großteil der Stallungen dem Feuer zum Opfer gefallen.«
Diesmal beschränkte sich Sebastian wieder auf ein stummes, gefolgsames
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