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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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Nicken.
    »Wo du dich zu den Mahlzeiten einzufinden und welchen Platz du in der Kirche bei den Gebetszeiten einzunehmen hast und welche Art von Zeichensprache wir zur Verständigung während der Schweigezeiten verwenden, all das lass dir von Bruder Notker erklären. Er soll dir auch eine Kammer drü
ben in der ehemaligen Kornmühle zuweisen und dich mit Bettzeug und Talglichtern versorgen. Wie ich ihn kenne, wird er dankbar sein, jemanden zum Reden zu haben.« Ein ironisches Lächeln huschte über die dünnen Lippen des Novizenmeisters. Doch dann wurde seine Miene wieder ernst. »So, und nun lass uns beten und Gottes Gnade für dich erbitten.« Er schloss die Augen und faltete die Hände.
    Sebastian tat es ihm gleich.
    »Herr, unser Gott, in deiner Gnade hast du die selige Jungfrau Maria auserwählt und vor jeder Sünde bewahrt. Befreie auch uns auf ihre Fürsprache hin aus der Verstrickung in das Böse, damit auch wir heilig und makellos vor dir stehen. Und gib diesem jungen Mann Laurentius Mangold die Kraft und die nötige Stärke, um vor dem Konvent zu bestehen und sich des monastischen Lebens würdig zu erweisen. Amen.«
    »Amen«, murmelte Sebastian.
    Bruder Scriptoris erhob sich mit einem energischen Ruck, um das Ende ihres Gespräches anzuzeigen.
    Sebastian dankte ihm ehrerbietig und wollte schon zur Tür hinaus, als der Novizenmeister ihn kurz zurückrief und ihm ein kleines Büchlein in die Hand drückte.
    »Das hier ist die Ordensregel unseres heiligen Benedikt von Nursia. Er hat sie vor gut tausend Jahren niedergeschrieben und sie wird auch in noch einmal tausend Jahren ihre wegweisende Geltung für das klösterliche Dasein nicht verloren haben. Nimm dir in den nächsten Tagen viel Zeit, um sie zu studieren!«, trug er ihm mit Nachdruck auf. »Nach eingehender Lektüre wirst du ein gutes Bild von dem Leben bekommen, das dich hier erwartet.«
    Sebastian versprach, die Regel gewissenhaft zu studieren, und verließ das Unterrichtszimmer des Novizenmeisters mit sehr gemischten Gefühlen.

    »U-u-und?«, raunte Notker, der neben der Tür auf ihn gewartet hatte, und stotterte wieder vor Aufregung. »W-w-wie... i-i-ist es... ge-ge-gegangen?«
    »Schwer zu sagen, aber erst einmal darf ich bleiben«, flüsterte Sebastian zurück. »Du sollst mir eine Kammer über der Druckwerkstatt zuweisen, mir Bettzeug und Talglichter bringen und mir auch sonst alles erklären, was ich wissen muss, um mich bei euch einzufinden.«
    Der Novize strahlte über die rosigen Pausbacken und kniff im vergeblichen Versuch, sein nervöses Augenzucken zu unterdrücken, die Brauen zusammen, was ihm ein komisches Aussehen verlieh. »Gelobt sei Jesus Christus!«
    »In Ewigkeit, Amen«, murmelte Sebastian.
    Notker führte ihn zuerst einmal hinunter ins Refektorium, wo er einem der stämmigen Küchenmönche durch seltsame Handzeichen bedeutete, ihrem Neuankömmling eine Mahlzeit vorzusetzen. Als der Küchenbruder ihnen den Rücken zuwandte, säbelte sich der Novize hastig eine dicke Scheibe vom Brotlaib ab und ließ sie unter seiner Kutte verschwinden. Auf Sebastians verwunderten Blick hin reagierte Notker mit einem verlegenen Achselzucken. Danach begaben sie sich hinüber zur ehemalige Kornmühle.
    »Stimmt es, dass ihr hier im Kloster über eine eigene Druckwerkstatt verfügt?«, erkundigte sich Sebastian, weil er darauf brannte, mehr darüber zu erfahren.
    »Ja, Bruder Scriptoris hat sie hier eingerichtet, als er vor sechs Jahren aus dem Wittenberger Land zu uns gekommen ist. Er versteht sich ganz ausgezeichnet auf die schwarze Kunst der beweglichen Lettern.«
    Verblüfft blieb Sebastian stehen. »Euer Novizenmeister kommt aus dem Wittenberger Land?«
    Notker nickte. »Wie man sich erzählt, war er in einem gro
ßen Kloster Prior und hat sich vor den lutherischen Ketzern zu uns geflüchtet, als dort in Sachsen unter dem satanischen Einfluss dieses Ketzers Luther viele Klöster aufgelöst und Mönche und Nonnen vertrieben wurden. Unser Vater Abt hat ihn mit offenen Armen aufgenommen und auch die Einrichtung einer Druckerei gutgeheißen. Übrigens sehr zum Unwillen von Bruder Clemens, der über das Scriptorium 14 wacht und von diesem neumodischen Geschäft mit den beweglichen Buchstaben nichts hält. Aber die Bücher, die wir hier drucken, bringen dem Kloster jährlich einen hübschen Batzen Geld ein. Es heißt, dass der Vater von Bruder Scriptoris einst in Mainz einer der letzten Gehilfen von Johannes Gutenberg war, der doch den Buchdruck mit

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