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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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Kapuzenmannes hinfällig. Dann stand er buchstäblich auf der Straße. Dornfeld würde ihn nicht wieder bei sich aufnehmen, das hatte er ihm unmissverständlich zu verstehen gegeben. Und wo sollte er dann Zuflucht suchen? Nach Passau zurück konnte er auf keinen Fall. Zwar blieb ihm die Möglichkeit, im Schutze der Nacht möglichst viele Meilen zwischen sich und die Reichsstadt zu bringen und in ein anderes Land zu flüchten, um dem Zugriff des Domherrn zu entkommen. Aber dann würde er vermutlich nie erfahren, wer sein leiblicher Vater
war, wo er sich aufhielt und warum ihrer beider Leben bedroht war. Doch noch viel schwerer wog der niederschmetternde Gedanke, dass er dann wohl auch Lauretia nicht wiedersehen würde!

4
    Derblüfft blieb Sebastian zwei Schritte hinter der faustdicken Tür stehen, die auf beiden Seiten durch schlichtes Schnitzwerk mit einem Kassettenmuster verziert war und sich mit dem Rundbogen an ihrem oberen Ende der Form des armtiefen Mauerwerks anpasste. Er hatte unwillkürlich angenommen, dass es sich bei dem Lehrzimmer eines Novizenmeisters um einen sehr spartanisch eingerichteten Raum handelte, der sich nicht sehr von einer kahlen Mönchszelle unterschied. Aber nichts davon traf auf den Raum zu, in dem er sich jetzt befand.
    Das Lehrzimmer von Pater Scriptoris war geräumig, maß mindestens acht Schritte im Quadrat und verfügte in der Wand gegenüber der Tür über zwei große, offen stehende Rundbogenfenster, die auf einen weitläufigen Garten hinausgingen. Jenseits der sich daran anschließenden Klostermauer fiel der Blick auf drei lang gestreckte Wasserbecken in unmittelbarer Nähe des Flussufers, bei denen es sich nur um Fischteiche handeln konnte. An den Wänden rechts und links der Tür ragten vom Boden bis zur Gewölbedecke dunkle Buchregale auf, die von Folianten nur so überquollen. Vor jeder Buchwand stand eine auf Rollen laufende Leiter, damit man auch die obersten Reihen erreichen konnte. Die Mitte des Raumes beherrschte
ein wuchtiger Eichentisch, auf dem sich eine Vielzahl weiterer Bücher fand, ein gutes halbes Dutzend davon aufgeschlagen, die meisten jedoch so hoch aufeinander gestapelt, dass man bei einigen Büchertürmen fürchten musste, dass sie jeden Augenblick zur Seite wegkippten. Jeweils drei einfache Stühle mit schmucklos gerader Rückenlehne flankierten die Längsseiten des Tisches. Ein siebter Stuhl, der über breite, blank polierte Armstützen und ein gepolstertes Rückenteil verfügte, stand am oberen Ende, so dass das Licht aus den beiden Bogenfenstern von hinten auf diesen Sitzplatz fiel.
    Aber wo steckte der Novizenmeister?
    Im selben Moment, als sich Sebastian verwundert diese Frage stellte, trat ein Mönch durch einen schmalen Durchgang im letzten Drittel der linken Buchwand, der in einen angrenzenden Raum führte und den er wegen der dort stehenden Rollleiter nicht sofort bemerkt hatte. Der Mann mochte Ende vierzig, Anfang fünfzig sein, war von mittelgroßer schlanker Gestalt, hatte ein unverwechselbar knochiges Gesicht mit wie aus Stein gemeißelten Gesichtszügen, das in einem merkwürdigen Gegensatz zur runden Form seiner eisengrauen Mönchstonsur stand. Er musterte ihn aus intensiv blickenden Augen, deren Farbe irgendwo zwischen einem verwaschenen Blau und einem Taubengrau lag.
    »Bist du der neue Novizenanwärter?«, sprach der Mönch ihn an und kam näher, ein kleines, in Schweinsleder gebundenes Buch in der Hand.
    »Ja, ehrwürdiger Pater! Mein Name ist Laurentius Mangold und ich bitte Euch um Aufnahme in Euer Kloster«, antwortete Sebastian und hoffte, die richtige Mischung aus Demut und Entschlossenheit getroffen zu haben.
    »Und was glaubst du, durch ein monastisches Leben zu gewinnen, das du in der Welt vor den Klostermauern nicht finden
kannst, Laurentius?«, lautete die nächste Frage des Novizenmeisters, und seine Stimme hatte einen scharfen, fast inquisitorischen Klang.
    Sebastian hatte damit gerechnet, dass man ihm diese oder eine ähnliche Frage stellen würde. Deshalb gab er nun ohne Zögern und schlicht zur Antwort: »Mein Heil.«
    Bruder Scriptoris sah ihn einen Augenblick mit nachdenklich gefurchter Stirn an. »Die Wege ins Verderben sind breit, bequem und zahlreich, doch zum Heil führt nur ein sehr schmaler Pfad voller Mühsal und Entbehrungen.«
    »Das ist mir bewusst.«
    »Wie alt bist du?«
    »Achtzehn, ehrwürdiger Pater«, log Sebastian, denn bis er das Alter erreichte, würde noch ein gutes Jahr ins Land gehen.
    »Und du bist

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