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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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Lettern Füllzeichen, auch Blindmaterial genannt.«
    Sebastian fiel es wie Schuppen von den Augen, als der Mönch nun zu solchen Füllzeichen griff und sie zwischen die viel zu eng aneinander sitzenden Buchstaben schob, so dass nun ein erheblich gefälligeres Bild des Wortes glorificamus
entstand. Aufmerksam hörte er zu, als Bruder Scriptoris ihm erklärte, bei welcher Buchstabenfolge man zu welchem Füllzeichen greifen musste, um für die nötigen Zwischenräume zu sorgen. Und als er seine drei Zeilen nach diesen Erläuterungen ein zweites Mal setzte, hatte der Mönch nichts mehr an ihnen zu beanstanden.
    »Alle Achtung, Laurentius! Das ist einwandfreie Arbeit! Ich werde dich hier gut gebrauchen können.«
    Als der Novizenmeister wenig später kurz die Werkstatt verließ, sagte Notker ein wenig neidvoll: »Da hast du unseren Novizenmeister ja wirklich schwer beeindruckt. Ich wünschte, ich hätte nur die Hälfte von deiner Gelehrigkeit. Ich fürchte nämlich, bei mir hat er in den ersten Wochen so einige graue Haare bekommen. Und auch jetzt unterlaufen mir noch immer zu viele Fehler.«
    »Ach was, vermutlich habe ich einfach nur Glück gehabt und einen guten Tag erwischt«, antwortete Sebastian.
    Notker lächelte traurig. »Es ist nett von dir, das zu sagen, aber das glaube ich nicht. Du bist einfach ein heller Kopf, Laurentius – ganz im Gegensatz zu mir. Dich wird man bestimmt schon bald zum Priester ausbilden, und dann wirst du wie die anderen Patres am Altar die heilige Messe zelebrieren, während ich wohl nie für die sieben heiligen Priesterweihen 20 in Frage kommen werde.«
    Verblüfft sah Sebastian ihn an. »Ich und Priester? Nichts liegt mir ferner!«, entfuhr es ihm und fast hätte er laut aufgelacht. »Dazu muss man berufen sein!«
    »Diese Entscheidung liegt doch gar nicht in deinen Händen.
In einem Kloster entscheidet allein der Abt mit seinen Beratern, wer wann zur Priesterausbildung bestimmt wird«, erklärte Notker wehmütig. »Und so wie ich dich einschätze, wird ihr Augenmerk sehr schnell auf dich fallen.«
    »Oft kommen die Dinge ganz anders, als man denkt, das weiß ich aus guter Erfahrung. Wir sollten uns darüber nicht den Kopf zerbrechen, wo ich doch noch nicht mal als Novize aufgenommen bin und du wohl noch gar nicht weißt, was alles in dir steckt. Überlassen wir unsere Zukunft vertrauensvoll Gottes Ratschluss«, sagte Sebastian. Fast fühlte er sich ein wenig schuldig, dass er sich gleich am ersten Tag so gelehrig gezeigt und Notker damit in den Schatten gestellt hatte. Und dann wechselte er schnell das Thema, indem er auf die großen Holzrahmen wies, die mit dickem, schwarzem Stoff bespannt waren und neben den beiden Fenstern, die zum Klosterhof hinausgingen, an der Wand lehnten, und fragte: »Sag mal, was hat es denn mit diesen Rahmen für eine Bewandtnis?«
    »Die hängt er gelegentlich vor die Fenster, wenn ihm das Sonnenlicht zu hell in die Werkstatt scheint. Ich verstehe diese Marotte auch nicht, weil man doch bei den kleinen Buchstaben gar nicht Licht genug haben kann. Auch bräuchte er an sehr sonnigen Tagen eigentlich bloß die Holzläden vor den beiden Fenstern zuziehen. Aber Bruder Scriptoris schwört auf diese von innen vorgehängten Rahmen. Er hat wohl sehr empfindliche Augen und zieht es häufig vor, beim Schein von Kerzenleuchten zu arbeiten. Manchmal habe ich den Verdacht...«
    Welchen Verdacht er hegte, sprach Notker nicht mehr aus, denn da kehrte Bruder Scriptoris auch schon zu ihnen in die Werkstatt zurück, und sie beeilten sich, dass sie wieder ihre Arbeit aufnahmen.
    Sebastian hörte an diesem Tag noch viele andere Fachausdrücke, die man wissen musste, um sich bei den vielfältigen
Handgriffen beim Druck einer Buchseite zurechtzufinden. Und wenn ihm der Einstieg in die schwarze Kunst der beweglichen Lettern auch recht vielversprechend gelungen war, wusste er doch nur zu gut, dass er noch vieles lernen musste und gewiss auch noch so mancher Fehlschlag auf ihn wartete. Aber wichtig war im Augenblick allein, dass er einen guten Eindruck auf den Novizenmeister gemacht hatte und hoffen durfte, bald als Novize aufgenommen zu werden, um hier im Kloster vor den Nachstellungen des Domherrn sicher zu sein.

7
    Ihm knurrte schon mächtig der Magen, als es nach der Sext endlich die erste Mahlzeit im Refektorium gab. Das deftige und gottlob reichhaltige Essen, zu dem auch reichlich Wein auf die langen, blank polierten Tische kam, wurde unter strengem Stillschweigen

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