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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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verrichten, auch auf Erlenhof . Dann eilte er über den Klosterhof zur Werkstatt.
    Die Tür zur Druckerei stand offen, so dass er die laute und ärgerliche Stimme von Bruder Scriptoris schon gut vernehmen konnte, als er in den Vorraum mit der nach oben führenden, steilen Stiege trat.
    »Was soll denn das schon wieder, Notker? Ich denke nicht daran, dich schon wieder anzuhören! Das heilige Sakrament der Beichte ist nicht dazu geschaffen worden, damit du mir jeden zweiten Tag jammervoll mit deinen angeblichen Verfehlungen in den Ohren liegst!«, herrschte Bruder Scriptoris den Novizen an.

    »A-a-aber... m-m-mich... v-v-verlangt... d-d-danach!«, hörte Sebastian den Novizen aufgeregt stammeln.
    »Unfug! Das redet dir dein überhitztes Gemüt nur ein!«, donnerte der Novizenmeister. »Deine Sucht zu beichten wird ja allmählich zu einer Plage! Was solltest du denn jetzt schon wieder zu beichten haben, das keinen Aufschub duldet? Hast du vielleicht wieder den Teufel im Chorgestühl gesehen, wie er sich hinüber auf die Priorseite geschlichen hat, als die Brüder bei den Vigilien vor Schläfrigkeit nicht mit der gewünschten Inbrunst psalmiert haben?«
    »N-n-nein, B-b-bruder Scriptoris. Es… s-s-sind… meine f-f-fleischlichen G-g-gelüste, die...«
    Weiter kam Notker nicht, denn der Novizenmeister fiel ihm barsch ins Wort. »Fleischlichen Gelüste! Komm mir bloß nicht wieder mit dieser Litanei! Ich habe dir mehr als einmal gesagt, was du tun sollst, um diese deine Schwäche besser unter Kontrolle zu bekommen. Also verschone mich davon in der Beichte! Wenn du das nächste Mal um das Sakrament der Beichte bittest, will ich etwas hören, das sich der Mühe des Anhörens auch lohnt!«
    »Ja, aber...«
    »Um Himmels willen, lass dir doch endlich mal eine wirklich handfeste Sünde zuschulden kommen!«, donnerte der Novizenmeister. »Betrüge jemand! Stiehl etwas! Setze hässliche Lügen in die Welt! Raube jemanden aus! Lüstere nach dem Leib einer Frau oder lass dich meinetwegen auch zu einem Mord hinreißen! Aber verschone mich in Gottes Namen mit deinen angeblichen Einflüsterungen des Teufels, wenn dir mal wieder der Magen knurrt und du die Finger nicht von den Töpfen in der Vorratskammer lassen kannst! Denn wenn das deine einzigen Dämonen sind, die dir als Mönch zusetzen, dann darfst du dich glücklich schätzen. Und wenn du dennoch
meinst, beim Niederringen deiner Dämonen fremder Hilfe zu bedürfen, dann wende dich an unseren Infirmarius 18 ! Ja, genau das wirst du heute nach der mittäglichen Mahlzeit tun, hast du mich verstanden? Bruder Eusebius wird in seinem gro ßen Kräutergarten sicherlich ein paar Gewächse haben, aus denen er dir einen Trunk brauen kann, der dein überhitztes Gemüt in etwas sanftere Bahnen lenken kann. Und jetzt genug davon! Wir haben zu arbeiten. Und wo steckt denn bloß der Neue?«
    Hastig trat Sebastian durch die Tür in den lang gestreckten Raum der Werkstatt. »Verzeiht, aber ich musste erst noch den Abort aufsuchen!«, entschuldigte er sich und erblickte die beiden Männer, die in der Mitte der Werkstatt vor der großen, hölzernen Druckerpresse 19 und umgeben von schweren Regalen mit allerlei Werkzeugen, bauchigen Gefäßen und hohen Stapeln Papier standen, Bruder Scriptoris mit vor Unmut gerötetem Gesicht und Notker bleich wie Kreide. Zwei angrenzende, zum Fluss hin liegende Räume waren mit der Werkstatt durch Durchgänge mit Rundbögen verbunden, die jedoch nicht mit Türen, sondern nur mit schweren Stoffvorhängen versehen waren.
    »Schon gut, wenn die Natur ruft und auf ihrem Recht auf Erleichterung besteht, hat man ihr zu folgen«, brummte der Novizenmeister nachsichtig, winkte ihn zu sich heran und begann ganz unvermittelt, ihm einen ersten groben Überblick über die Kunst der beweglichen Lettern zu geben. Und von
einem Augenblick auf den anderen schien er seinen Zorn auf Notker vergessen zu haben.
    Sebastian war über den raschen Stimmungsumschwung des Novizenmeisters nicht wenig überrascht, vergaß dann aber auch sehr schnell den unerfreulichen Zwischenfall. Denn was ihm Bruder Scriptoris über das komplizierte Handwerk des Buchdrucks erklärte, schlug ihn augenblicklich in Bann. Und während sich Notker unter betretenem Schweigen im Hintergrund hielt, folgte er voller Staunen den ruhigen Erklärungen des Mönches, der von dem beweglichen Karren sprach, auf den man den mit Druckerschwärze eingefärbten Satz legte, und ihm die Funktion des so genannten Deckels

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