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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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und die Weihen zu empfangen.
    Sebastian freute sich mit ihm und bestärkte ihn auch in seiner Hoffnung, dass sich sein Traum sehr wohl erfüllen und er eines Tages am Altar die heilige Messe zelebrieren könnte. Und warum auch nicht? So vieles, was er noch bis vor wenigen Wochen nicht für möglich gehalten hätte, war ihm doch selbst schon widerfahren.
    Und dann nahmen die Tage wieder ihren gewohnten Lauf. Wirklich Freude bereitete ihm die Arbeit in der Druckwerkstatt. Auch fand er an der täglichen religiösen Unterweisung des Novizenmeisters mehr Gefallen, als er für möglich gehalten hätte. Bruder Scriptoris mochte in vielem hitzig und unberechenbar
sein, erwies sich jedoch nicht nur als guter Lehrmeister, der sich verständlich auszudrücken verstand, sondern er würzte seine Ausführungen auch mit erklärenden Geschichten und Vergleichen, die man so schnell nicht vergaß.
    Aber er ließ es auch nicht an scharfen Ermahnungen und Belehrungen mangeln. »Die frohe Botschaft Jesu ist keine bequeme Botschaft! Sie war es nicht zu seinen Lebzeiten, ist es heute nicht und wird es auch in tausend Jahren nicht sein!«, sagte er eines frühen Vormittags, als sich Sebastians zweite Woche im Kloster ihrem Ende näherte. »Das Evangelium ist nicht von dieser Welt. Es ist Gottes heiliges Wort an die sündige Welt und fordert deren Widerspruch heraus. Gottes Wort, das ist glühendes Eisen, und wenn du es befolgen und den Weg zur Seligkeit beschreiten willst, kannst du es nicht mit der Zange anfassen, um dir nicht die Finger daran zu verbrennen. Nein, du musst schon mit beiden Händen danach greifen, wenn du die Nachfolge unseres Heilands und Erlösers Jesu Christi antreten willst! Und nicht durch eigensüchtiges Nachgrübeln erfährt der Mensch, wer er ist und wozu er geschaffen ist. Er erfährt es nur allein durch die hingebungsvolle Begegnung mit der Wirklichkeit Gottes und durch die Tat, zu der ihn die göttliche Gnade befähigt!«
    Wenige Augenblicke später wurde der Novizenmeister in seinen Ausführungen unterbrochen, als Bruder Sulpicius in der Werkstatt auftauchte. Ein scheinbar brüderliches Lächeln lag auf seinem runden, leicht geröteten Gesicht mit den kleinen, funkelnden Augen, als er auf den Novizenmeister zusteuerte, der gerade ein frisch bedrucktes Blatt aus dem Deckel des Karrens hob.
    »Wie geht es mit Eurer Arbeit voran, Bruder Scriptoris?«, erkundigte sich der wohlbeleibte Prior leichthin, als verdankte der Novizenmeister seinen Besuch einer spontanen Laune.
»Werdet Ihr mit unserem heiligen Augustinus bald zum Ende kommen?«
    »Ein, zwei Wochen wird es wohl noch dauern, bis der Druck abgeschlossen ist«, gab der Novizenmeister vage zur Antwort und zwar mit deutlich reserviertem Tonfall, so als glaubte er, vor dem Prior und dessen wahren Gründen für seinen Besuch auf der Hut sein zu müssen.
    »Das sollte uns aber nicht davon abhalten, schon jetzt verbindlich darüber zu reden, mit welchem neuen Druckwerk unser Kloster in der heutigen, von abscheulichen Irrlehren heimgesuchten Zeit einen Beitrag zur Wahrung des einzig wahren Glaubens und der reinen Lehre leisten kann«, sagte Bruder Sulpicius.
    Sebastian stand mit Pachomius auf der anderen Seite der Druckpresse bei den Setzkästen. Der jüngste Bruder der Klostergemeinschaft fing seinen fragenden Blick auf und raunte ihm leise zu: »Über das, was gedruckt werden soll, bekommen sich die beiden immer in die Haare. Pass auf, gleich geht es los!«
    Und genau so kam es dann auch. Als Bruder Scriptoris davon sprach, als Nächstes die Briefe der heiligen Katharina zum Druck ins Auge gefasst zu haben, lobte der Prior zwar erst einmal den rein historischen Wert ihrer Schreiben an die gro ßen kirchlichen Persönlichkeiten ihrer Zeit, erhob dann jedoch sofort Einwände dagegen. Die Veröffentlichung ihrer Briefe in einer Buchauflage von hundertfünfzig Exemplaren erschien ihm weit weniger wichtig als die der Schriften des Doktor Johannes Eck.
    »Spricht er von demselben Johannes Eck, der als erbitterter Widersacher von Martin Luther bei dessen Prozess in Leipzig und dann 1521 vor dem Reichstag in Worms gegen ihn zur Disputation angetreten ist?«, raunte Sebastian, der sich noch gut
an die erregten Debatten auf Erlenhof erinnern konnte, als Rom damals den Bann über den aufrührerischen Mönch aus Sachsen verhängt hatte, nachdem dieser sich standhaft geweigert hatte, seine ketzerischen Lehren zu widerrufen.
    Pachomius nickte. »Ja, dieser Johannes Eck aus

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