Das Kloster der Ketzer
nicht mit Euch reden lasst, muss ich eben andere
Wege gehen!«, drohte er verärgert. »Ich glaube nämlich nicht, dass Ihr allein in diesem Kloster darüber entscheiden könnt, welche Bücher hier gedruckt werden und welche nicht! Und sollten bei Euch darüber Zweifel bestehen, so wird unser ehrwürdiger Vater Abt Euch sicherlich eines Besseren belehren!«
»So sprecht denn mit ihm, Bruder Sulpicius. Der weise Ratschluss unseres Abtes wird uns beiden sicherlich den rechten Weg weisen. Und jetzt entschuldigt, wenn ich Euren Ausführungen nicht länger mein Ohr schenken kann, wartet doch hier wirklich wichtige Arbeit auf mich und meine Gehilfen, die keinen weiteren Aufschub verträgt«, sagte der Novizenmeister süffisant. »Gelobt sei Jesus Christus!«
»In Ewigkeit, Amen!«, presste der Prior wütend hervor und hastete aus der Werkstatt. Mit einem lauten Knall zog er die Tür hinter sich zu.
Der Novizenmeister trat an eines der Fenster und blickte dem Prior nach, wie er mit wehender Kutte über den sonnenbeschienenen Hof in Richtung Konventshaus eilte. Für einen Moment herrschte Schweigen. Dann gab er einen schweren Seufzer von sich und sagte gedankenverloren: »Es zieht Sturm auf.«
Dass er damit nicht das Wetter meinte, das ihnen einen warmen und wolkenlosen Sommertag bescherte, war Sebastian und wohl auch Pachomius klar. Und wie sehr er mit seiner Prophezeiung Recht hatte, das sollte schon der nächste Morgen zeigen.
14
G erade griff die aufgehende Sonne mit ihren ersten rotgoldenen Leuchtfingern besitzergreifend nach dem Himmel des jungen Sommermorgens, als sich die schockierende Kunde von der Infamie des unbekannten Übeltäters im Kloster wie ein Lauffeuer verbreitete und den Konvent in helle Aufregung und Empörung versetzte.
Sebastian bekam Kunde von der Schandtat, als er sich nach der Kapitelsitzung zum Werkzeugschuppen begab, um sich dort eine Sichel zu holen. Denn ihm war aufgetragen worden, vor der Arbeit in der Druckwerkstatt erst einmal zusammen mit Pachomius das hohe Gras zwischen den Obstbäumen zu schneiden.
Es war Pachomius, der ihm auf dem Hof entgegeneilte. Er wedelte wild mit einem Flugblatt durch die Luft und stotterte vor Aufregung derart stark, dass Sebastian anfangs kein einziges Wort von dem verstand, was der junge Mönch ihm mitzuteilen versuchte. Erst nachdem er ihm gut zugeredet hatte, begriff er langsam, was in der Nacht vorgefallen war.
»Jemand hat in der Nacht ketzerische Flugblätter über die Klostermauer geworfen!«, berichtete Pachomius verstört. »Sie liegen überall herum! Hinten im Kräutergarten, oben bei der Kapelle zwischen den Obstbäumen und vor der Mauer neben der Druckerei! Und sogar an der Klosterpforte klebte so ein Blatt! Der Portarius und Bruder Vitus haben die meisten schon eingesammelt, aber es liegen noch viel mehr herum. Ich habe das hier drüben beim Torbrunnen gefunden! Der Wind muss es dort hingeweht haben.«
»Lass mal sehen!« Sebastian nahm ihm das Flugblatt aus der
Hand, und er glaubte, seinen Augen nicht trauen zu dürfen, als sein Blick auf die fett gedruckte Überschrift fiel, die da lautete: Wider die heidnische Barbarei im Namen unseres Herrn und Erlösers! Hastig überflog er die zwölf Punkte dieser anonymen Anklage, die sich gegen die anstehende Hinrichtung der beiden verurteilten Wiedertäufer richtete. Wer immer dieses Flugblatt verfasst hatte, musste über eine hervorragende Kenntnis der Heiligen Schrift verfügen. Denn jede dieser zwölf kurzen Thesen, die die Hinrichtung der beiden Männer scharf als unchristlich verurteilten, war mit einem entsprechenden Hinweis auf ein Schriftwort versehen. Da fand sich ebenso Jesu Warnung »Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen!« wie »Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!«.
»Ein ungeheurer Frevel!«, stieß Pachomius hervor, empört über diesen blasphemischen Angriff auf die Kirchenoberen von Passau. »Wenn herauskommt, wer das verfasst und diese Flugblätter hier und anderswo verbreitet hat, der wird selbst auf dem Scheiterhaufen landen!«
Hastig nahm Pachomius das Flugblatt wieder an sich, faltete es zusammen und versteckte es schnell in seiner Kutte, als Bruder Vitus auftauchte. Der Cellerar hielt mehrere dieser Flugblätter in seiner Hand. Hektische rote Flecken überzogen sein Gesicht. Ohne sie zu beachten, eilte er an ihnen vorbei und verschwand im Haupthaus, wohl um dem Vater Abt von dem ungeheuerlichen Vorfall zu berichten.
Sebastian fragte sich, was nun
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