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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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geschehen würde. Nach dem Konventamt erfuhr er es, als der Abt die Ordensgemeinschaft zu einer außerordentlichen Versammlung in den Kapitelsaal berief. Mit gedämpften Stimmen, aber unüberhörbar aufgeregt tuschelten die Mönche, während sie auf das Eintreffen ihres Oberen warteten. Erst als Abt Adelphus auf seinen Stock
gestützt im Kapitelsaal erschien und auf seinem erhöhten Lehnstuhl Platz nahm, erstarb das erregte Gemurmel.
    »Ich denke, jeder von uns hat inzwischen erfahren, was in dieser Nacht vorgefallen ist«, begann er ohne Umschweife. »Wer immer diese Flugschrift verfasst und sie über die Mauern unseres Kloster geworfen hat, er wird sich für sein Tun verantworten müssen – spätestens wenn er im Angesicht unseres Herrn und Schöpfers steht!«
    »Brennen wird er!«, zischte der Prior an seiner rechten Seite. »Und hoffentlich nicht erst im ewigen Fegefeuer!«
    »Es gehört nicht zu unseren Aufgaben, diese Tat aufzuklären und ihren Täter vor ein Gericht zu bringen«, fuhr der Abt kühl und mit einem Seitenblick auf den Prior fort, den man auch als stumme Zurechtweisung werten konnte. »Aber mir scheint, dass die Unruhe, die diese Flugschrift in unserem Konvent hervorgerufen hat, nach einer Remedur verlangt. Ich vermag nämlich nicht auszuschließen, dass diese zwölf Thesen üble Verwirrung stiften und die religiöse Gewissheit einiger unserer Mitbrüder erschüttern, die nicht über die priesterlichen Weihen und somit auch nicht über den Wissensschatz eines intensiven theologischen Studiums verfügen. Denn auf den ersten Blick scheint der Verfasser, der sich bei seiner Beweisführung nicht weniger lutherischer Lehrsätze bedient hat, die Heilige Schrift auf seiner Seite zu haben.«
    Sebastian war nicht der Einzige, der sich verwirrt fragte, was der Abt mit Remedur meinte und worauf er bloß hinauswollte.
    »Mir scheint es daher nicht nur nützlich, sondern sogar ausgesprochen notwendig zu sein, dass wir uns alle noch einmal nachdrücklich davon in Kenntnis setzen lassen, auf welchen heiligen Schriftworten sowie Konzilbeschlüssen und Offenbarungen unserer Kirchenväter unser Glauben sich gründet«, fuhr der Abt fort. »Die Disputationen, die vor Jahren zwischen
den Vertretern unserer heiligen Mutter Kirche und Doktor Martin Luther stattfanden...«
    Der Prior verzog das Gesicht, als hätte ihm jemand bitteren Essig in den Mund geträufelt. »Doktor!« Leise, aber unüberhörbar, spie er dieses Wort aus.
    »... haben für viel Klarheit gesorgt«, führte Abt Adelphus seinen Satz nach kurzem Stocken zu Ende. »Nur ist es wenigen vergönnt gewesen, bei diesen Disputationen zwischen Martin Luther und Johannes Eck in Leipzig und Worms zugegen zu sein oder aber später wenigstens die Protokolle dieser Begegnungen zu studieren. In Unkenntnis der genauen Argumentation beider Seiten haben sich unter den von unserer Kirche Abgefallenen völlig falsche und verdrehte Ansichten über das festgesetzt, was unseren Glauben ausmacht. Aber auch in den Köpfen vieler Ordensleute und anderer Rechtgläubiger hat sich aus Mangel an hinreichender Kenntnis über die gegnerischen Glaubenspositionen ähnliche Verwirrung eingenistet.«
    Sebastian bemerkte, dass die Miene von Bruder Sulpicius nun so finster wie die Nacht wurde. Und bei vielen anderen Mönchen rief das indirekte Eingeständnis ihres Abtes, aus mangelndem Wissen vielleicht nicht immer gerecht über die neugläubigen Lutheraner zu urteilen, zumindest ein verständnisloses Stirnrunzeln hervor. Hier und da erhob sich sogar verdrossenes Gemurmel.
    »Die Zeiten haben sich geändert, meine lieben Mitbrüder. Man mag es bedauern, aber ändern lässt es sich nicht«, setzte der Abt seine Ausführungen ungerührt fort. »Uns allen hier im Konvent ist die Gnade der Glaubensgewissheit zuteil geworden und dafür müssen wir unserem Herrn und Erlöser jeden Tag auf Knien danken. Aber wir sind dennoch der Schwachheit des Fleisches und den unablässigen Einreden des Teufels ausgesetzt.«

    Neben Sebastian seufzte Pachomius leidvoll.
    Der Abt blickte mit einem väterlich wohlwollenden Lächeln in die Runde seiner Mitbrüder. »Ja, wir leben hier in der Gnade der Glaubensgewissheit!«, bekräftigte er noch einmal, was zur Folge hatte, dass sich die Gesichter der Mönche sofort wieder erhellten und das murrende Gemurmel erstarb. »Aber so kostbar einem auch der eigene Glaube sein mag, so kann man ihn doch nur dann in seiner segensreichen Fülle bewahren sowie wehrhaft gegen

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