Das Kloster der Ketzer
und Bruder Eusebius, wie sie im gedrungenen Steinhaus des Kräutergartens verschwanden.
Was hatten sie jetzt dort zu suchen?
Er zögerte kurz, dann lief er schnell zurück. Das kleine Tor im Bretterzaun, der den Kräutergarten mit seinen üppigen Sträuchern und peinlichst gepflegten Beeten umschloss, stand offen. Geduckt schlich er sich an das kleine Steinhaus heran.
Efeu rankte an der Hauswand hoch und ein kräftiger Holunderbusch mit einem dichten Blätterkleid wuchs direkt zwischen den beiden kleinen Fenstern in die Höhe. Er bot ihm einen gewissen Schutz vor Entdeckung.
Vorsichtig richtete er sich hinter dem Strauch auf und spähte durch eines der Fenster in das Innere des Hauses, in dem Eusebius seine Vielzahl an Kräutern und Tinkturen aufbewahrte und seine Rezepturen herstellte. Er sah, dass die beiden Mönche vor einem der Tische standen. Sie kehrten ihm den Rücken zu und schienen irgendetwas zu studieren, das vor ihnen auf dem Tisch lag. Um was es sich dabei handelte, konnte er jedoch nicht feststellen, da sie den Tisch zum größten Teil mit ihren Körpern verdeckten. Er sah nur, dass Eusebius aufgeregt gestikulierte. Was er dabei sagte, vermochte er nicht zu verstehen, dazu redeten sie zu leise miteinander. Doch als Bruder Scriptoris plötzlich einen Schritt zur Seite machte und sich vorbeugte, konnte Sebastian sehen, was ihre Aufmerksamkeit so sehr in Anspruch nahm.
Im ersten Moment wusste er nicht, was genau er da vor seinen Augen hatte. Er sah etwas Pelziges und viel blutrotes Fleisch. Dann erblickte er das klaffende, im Tod erstarrte Gebiss des Tieres und begriff. Er erschrak und zuckte unwillkürlich vom Fenster zurück, als er erkannte, was da vor den beiden Mönchen auf dem Holztisch lag. Es war der Klosterkater Cato! Der Kadaver des Tieres lag, alle Viere von sich gestreckt, auf dem Rücken und war vom Hals abwärts der Länge nach aufgeschlitzt! Und seine blutigen Innereien ruhten davor in mehreren flachen Tonschalen.
Eusebius hatte Cato seziert!
Aber warum?
Bruder Eusebius griff nun mit der linken Hand zu einer der Schalen, hielt sie Bruder Scriptoris hin und deutete dabei
mit einem schmalen, scharfen Messer, das er in die Rechte genommen hatte, auf Teile der blutigen Innereien, während er auf seinen Mitbruder sichtlich erregt einredete. Und Bruder Scriptoris starrte mit bleicher Miene auf das, was der Infirmarius ihm da zeigte und erläuterte.
Sebastian schreckte auf, als er plötzlich Stimmen von der hinteren Klosterpforte hörte, und er beeilte sich, dass er aus dem Kräutergarten kam.
Er mischte sich unter die von den Fischteichen zurückkehrenden Mönche und Konversen. Ihren bestürzten Äußerungen entnahm er, dass Bruder Lombardus mit einer klaffenden Kopfwunde im Wasser neben dem Steg des hinteren Teiches gefunden worden war. Und wie er erfuhr, hatte Bruder Vitus die Mutmaßung geäußert, ihr blinder Mitbruder sei wohl verwirrten Geistes aus der Klausur gewandert, vom Weg abgekommen und auf den kurzen Steg geraten, dort zu Fall gekommen, mit dem Kopf auf einen der Stützpfähle aufgeschlagen und bewusstlos in den Teich gestürzt, wo er dann ertrunken war. Man hatte Blut oben an der Pfahlkante gefunden. Eine schreckliche Tragödie, aber doch nichts anderes als ein Unfall.
Sebastian glaubte kein Wort davon. War der Cellerar mit Blindheit geschlagen, oder wollte er nicht die Zusammenhänge sehen, die doch so deutlich die Handschrift eines Verbrechens trugen? Weder hatte sich Pachomius von inneren Dämonen getrieben aus dem Fenster in die Tiefe gestürzt, noch handelte es sich beim Tod von Bruder Lombardus im Fischteich um einen tragischen Unfall. Der Tod des einen hing mit dem Tod des anderen unmittelbar zusammen und in beiden Fällen musste ein Dritter seine Hand im Spiel gehabt haben!
Der blinde Mönch musste den Mörder des jungen Klosterbruders
an seinem Schritt oder an der Stimme erkannt haben, und der Mörder hatte nach Lombardus’ Drohung, ihn bei Sonnenaufgang zu entlarven, wenn er seine Tat nicht gestand, keinen anderen Ausweg gesehen, als auch ihn noch für immer zum Schweigen zu bringen! Nur in der Verbindung ergaben die beiden Todesfälle, die sich in so kurzen Abständen ereignet hatten, einen Sinn.
Aber welche Rolle spielten Bruder Eusebius und Bruder Scriptoris bei diesem Verbrechen? Und warum hatte der Kräuterbruder den Kater seziert und den Novizenmeister gedrängt, ihm den aufgeschlitzten Kadaver zu zeigen, während die anderen zu den Fischteichen gerannt
Weitere Kostenlose Bücher