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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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Mönch seltsam im Kopf war und manchmal sinnloses Zeug plapperte, war jedem im Kloster bekannt. Aber war es nicht möglich, dass das schrille Gezeter von einem willfährigen Handlanger des Teufels, der verflucht sei und bis zum Morgengrauen zu gestehen habe, einen Kern Wahrheit enthielt? Doch was konnte der blinde Kauz von einem Mönch schon wissen?
    Wie oft Sebastian all diese verstörenden Fragen auch drehte und wendete, es wollte sich doch keine Antwort einstellen, die alle Widersprüche logisch auflöste oder doch wenigstens eine vage Form von Sinn ergab. Und als ihn schließlich doch noch der Schlaf übermannte, geisterten der tote Pachomius und Bruder Scriptoris in wirren, grässlichen Szenen durch seine Alpträume.
    Am folgenden Morgen fasste Sebastian den Entschluss, noch in dieser Nacht das Kloster zu verlassen. Nach dem Mord an dem jungen Klosterbruder hielt ihn nichts mehr an diesem Ort. Hier fühlte er sich alles andere als sicher. Gegen Mitternacht würde Lauretia unten am Fluss auf ihn warten. Mit ein wenig Glück brachte sie Nachrichten vom Kapuzenmann. Zusammen mit ihr würde er entscheiden, was nun zu tun war. Jedenfalls würde er nicht hinter die Klostermauern zurückkehren!
    Die Beerdigung von Bruder Pachomius fand wegen der ungewöhnlichen sommerlichen Hitze schon am frühen Vormittag statt. Als der Konvent nach der Totenmesse in geschlossener Prozession aus der Kirche auszog und sich auf den schlichten Friedhof begab, fiel keinem auf, dass Bruder Lombardus fehlte. Sebastian hatte sowieso nur Augen für den Novizenmeister.
Immer wieder forschte er in dessen Gesicht, das ihm an diesem Tag wie versteinert vorkam, nach einem Hinweis darauf, wer dieser Mann wirklich war und ob er den Toten auf seinem Gewissen hatte. Doch das Einzige, was er bemerkte, war, dass Bruder Eusebius ihn bei der Beerdigung verstohlen am Ärmel zupfte, mit ihm etwas von den anderen zurücktrat und aufgeregt mit ihm tuschelte. Verwundert fragte er sich, was die beiden ausgerechnet jetzt, wo sie doch einen Mitbruder unter die Erde brachten und eigentlich in Andacht versunken sein sollten, so Wichtiges miteinander zu bereden hatten. Ihm fiel jetzt auch wieder ein, dass gestern Abend, kurz bevor Pachomius zu Tode gekommen war, der Kräuterbruder zusammen mit dem Novizenmeister die Treppe hochgestiegen war. Steckten die beiden vielleicht unter einer Decke?
    Die sterblichen Überreste von Bruder Pachomius wurden nicht in einem Sarg, sondern nur in einem einfachen Leinensack zu Grabe gelassen, so wie es die Regel für jeden verstorbenen Mönch vorsah. Gerade waren die ersten Erdbrocken auf die Leiche des Toten im Grab gefallen, als ein Konverse durch die Pforte bei den Fischteichen in die Klausur stürzte und in heller Aufregung angerannt kam.
    »Ich habe Bruder Lombardus gefunden!«, rief er schon von weitem und ohne Rücksicht auf die Beerdigung, die noch nicht ihr Ende gefunden hatte, stand doch der abschließende Segen des Abtes aus. »Im hinteren Fischteich! … Er ist ertrunken! … Bruder Lombardus ist ertrunken!«
    Sebastian erschauerte, als hätte sich ihm unverhofft eine eiskalte Hand in den Nacken gelegt. Der blinde Mönch ertrunken! Und das keine zwölf Stunden, nachdem er seine scheinbar wirren Verwünschungen und Drohungen gegen den Verfluchten, den Handlanger des Teufels, ausgestoßen hatte! Das konnte unmöglich ein Zufall sein!

    Der Mörder unter den Mönchen, der Pachomius auf dem Gewissen hatte und bis zum Morgengrauen seine verruchte Tat hatte gestehen sollen, hatte ein zweites Mal zugeschlagen!

19
    In den frühen Morgenstunden hatten Sebastian heftige Zweifel befallen, ob Bruder Scriptoris wirklich der Mörder sein konnte. Er wollte einfach nicht glauben, dass er sich im Novizenmeister so getäuscht haben sollte. Doch als er nun auf dem Friedhof sah, wie der Mönch auf die Schreckensnachricht vom Tod seines blinden Mitbruders reagierte, kehrte der Verdacht mit unverminderter Stärke wieder zurück. Denn während der Abt hastig den letzten Segen spendete und dann mit den anderen des Konvents in Richtung der Fischteiche davoneilte, zeigte Bruder Scriptoris keine Spur von Eile, den anderen zu folgen. Er blieb vielmehr zurück – und mit ihm der Kräuterbruder.
    Sebastian tat so, als wollte auch er mit den anderen zu den Fischteichen, hielt sich jedoch am Schluss der davoneilenden Mönche und Konversen. An der Pforte blieb er stehen und blickte zurück. Er erhaschte gerade noch einen Blick auf Bruder Scriptoris

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