Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
Vom Netzwerk:
beschwor ihn der Mönch und fuhr sich mit einer fahrigen Geste über die Stirn. »Also gut, wir werden über alles reden und ich
werde dir auch die Wahrheit sagen. Aber nicht hier und nicht jetzt. Ich muss dringend in die Stadt und etwas erledigen, das keinen Aufschub verträgt.«
    »Wann dann?«
    »Wir müssen uns heimlich treffen! Hier haben sogar die Wände noch Ohren!« Er überlegte kurz. »Um zehn heute Nacht in der Werkstatt! Einverstanden?«
    Sebastian zögerte einen Moment. Ein heimliches nächtliches Treffen konnte eine Gefahr bedeuten. Doch er glaubte nicht, dass der Mönch finstere Hintergedanken hegte. Bruder Scriptoris mochte ein geheimnisumwitterter Mönch sein, aber Furcht weckte er nicht in ihm. Und da er sich in dieser Nacht sowieso aus dem Kloster schleichen wollte, konnte er das eine gut mit dem anderen verbinden.
    »Einverstanden«, sagte er deshalb.
    Der Mönch legte ihm seine Hand auf die Schulter. »Verhalte dich in Gottes Namen unauffällig! Lass dir nichts anmerken! Nicht ein Wort zu irgendjemand anderem, hast du mich verstanden? Es könnte dich dein Leben kosten!«, beschwor er ihn. »Ich fürchte, du weißt schon zu viel, Sebastian!« Und mit diesen Worten eilte er davon.
    Dass der Mönch ihn nicht mit Laurentius angesprochen, sondern seinen richtigen Namen genannt hatte, den er doch eigentlich gar nicht kennen konnte, dieser Schock traf ihn erst, als er draußen auf dem Hof stand und Bruder Scriptoris nachsah, der neben einem Konversen auf dem Kutschbock eines einachsigen Fuhrwerks saß, das in höchster Eile durch die Klosterpforte entschwand.
    Der Mönch wusste, wer er wirklich war!

20
    Die Nacht schien sich mit Sebastian verbündet zu haben, als er sich zur verabredeten Stunde mit seiner Ledertasche über der Schulter durch eine der Türen auf der Rückfront aus dem Konventshaus schlich. Eine dichte Wolkendecke verhüllte den Himmel, so dass kein einziger Schimmer Mondund Sternenlicht zur Erde drang. Es war, als hätte die Nacht ein rabenschwarzes Tuch über das Land geworfen.
    Die Luft hatte sich mit Einbruch der Dunkelheit auch nur unmerklich abgekühlt. Die für diesen Monat schon ungewöhnlich starke Sommerhitze, mit der sich die Erde tagsüber ausgiebig gesättigt hatte, entströmte dem Boden so spürbar, als glühten im Erdreich riesige Kohlenbecken.
    Kein noch so schwacher Windzug ging, und Sebastian hatte das Gefühl, in eine von unsichtbarem Dampf erfüllte Waschküche geraten zu sein, kaum dass er aus den dicken, kühlenden Mauern des Hauses getreten war. Augenblicklich brach ihm der Schweiß aus.
    Es war jedoch nicht allein die drückende Sommerschwüle, die sich ihm auf die Brust legte, während er um das Konventshaus herumlief und sich dann auf den Weg zum alten Fachwerkhaus machte. Dabei hielt er sich im Schutz der flussseitigen Klostermauer. Allen beruhigenden Einreden zum Trotz, dass er von Bruder Scriptoris nichts zu befürchten hatte, beschlich ihn nun doch ein mulmiges Gefühl, als er sich in der beklemmenden Finsternis der einstigen Kornmühle näherte. Und sein Herz schlug auf einmal vor Aufregung in einem heftig hämmernden Rhythmus.
    Die schweren hölzernen Schlagläden waren wie gewohnt
vor die Fenster der Druckwerkstatt geklappt und die breiten Eisenriegel vorgelegt. Kein noch so schwacher Lichtschimmer drang durch ihre Ritzen in die Nacht hinaus. Und dennoch wusste Sebastian instinktiv, dass sehr wohl Licht in der Werkstatt brannte und der Mönch dort schon auf ihn wartete.
    Warum druckte er heimlich solche Flugschriften, die ihn auf den Scheiterhaufen bringen konnten? Und wieso wusste er, dass er nicht Laurentius, sondern Sebastian hieß? Wer verbarg sich hinter der Fassade des frommen, scheinbar rechtgläubigen Novizenmeisters? Hatte er, Sebastian, sich vielleicht zu leichtsinnig von ihm in Sicherheit wiegen lassen? Was war, wenn sich dieses nächtliche Treffen als raffinierte Falle herausstellte?
    Nur ruhig Blut!, ermahnte sich Sebastian. Du siehst Gespenster! Er weiß offenbar längst, wer ich bin. Und wenn er mir feindlich gesonnen wäre, hätte er in den vergangenen Wochen Zeit genug gehabt, mich an den Domherrn zu verraten. Bei unserem Treffen kann es sich daher unmöglich um eine Falle handeln! Ich werde mir anhören, was er mir zu seiner Person zu sagen hat und wieso er meinen wahren Namen kennt. Und dann werde ich mich mit Lauretia aus dem Staub machen!
    Das Herz schlug ihm dennoch im Hals, als er Augenblicke später den pechschwarzen Vorraum betrat

Weitere Kostenlose Bücher