Das Kloster (German Edition)
auseinander gehen oder weiter zusammen bleiben, in welch letzterm Falle aber dann in der Regel die priesterliche Kopulation eintritt. So, nun wißt Ihr, was bei uns unter versprochen bei den Eheleuten zu verstehen ist.«
»Dann darf ich Dir, edler Baron,« versetzte der Prediger, »aus Bruderliebe und um Deines Seelenheiles willen nicht verbergen, daß dies ein heidnischer, roher, verderblicher Brauch ist, denn er bindet Dich, den stärkern Teil, an den schwächern Teil, das Weib, bloß so lange, als Du Befriedigung bei ihr findest für Deine Begierden, und gibt dem tierischen Triebe alles, während für die edle, zarte Neigung nicht das geringste Recht verbleibt. Wer aber solches Band zerreißen, wer ein beschimpftes Weib mit seinem hilflosen Sprößling im Stiche lassen kann, der ist schlimmer als ein Raubvogel, denn der Raubvogel bleibt doch mit seinem Weibchen, wenigstens so lange zusammen, bis die Nestlinge ausfliegen können. Vor allem aber sage ich Dir, solcher Brauch ist der Christenlehre vollständig zuwider, denn sie gesellt das Weib dem Manne in Freud und Leid für alle Zeit, nach dem Worte der heiligen Schrift, als Balsam für seine Leiden, als Helferin in seinen Mühen, als Freundin in seiner Trübsal, nicht aber als Spielzeug für müßige Stunden, oder wie eine Blume, die er nach Laune und Belieben aus der Hand werfen kann, wenn er sie abgebrochen hat von ihrem Stengel.«
»Eine recht tugendsame Predigt, Pfaffe,« erwiderte der Baron, »fein ausgeklügelt und mit unvergleichlichem Geschick vorgetragen, obendrein vor exquisiter Gemeinde! Nun aber ein paar Worte meinerseits, Pfaffe! Meinst Du etwa, Du habest einen Esel vor Dir? meinst Du, ich wüßte nicht, daß Deine Sekte bloß um deswillen vom Heinz Tudor im Lande gelitten worden ist, weil Ihr ihm dazu verholfen habt, von seiner Käthe loszukommen? Ei, und warum sollte ich der gleichen christlichen Freiheit mich nicht ebenso bedienen dürfen? Also kein Wort mehr von dem Kram! setz Dich an den Tisch und stopf Dir den Schnabel! Im übrigen scher Dich nicht weiter um Geschichten, die Dich keinen Dreck angehen. In Julian Avenel hast Du keinen Strohkopf vor Dir, der sich ein X für ein U machen ließe.«
»Für sein U hat der sich selbst sein X gemacht,« erwiderte der Prediger kühn, »denn kann er die arme Genossin seiner häuslichen Sorgen jetzt noch zum Range einer reinen unbefleckten Hausfrau erheben? kann er das Kind freimachen von dem Jammer, daß es sein Dasein einer Mutter verdankt, die einen Fehltritt auf dem Gewissen hat? Freilich, er kann sich die Frau nachträglich antrauen lassen und zu seiner rechtmäßigen Gattin machen, er kann den Sohn zu seinem rechtmäßigen Kinde erklären lassen; aber das kann er nicht ändern, daß an dem Weibe und an dem Kinde in der öffentlichen Meinung ein Flecken haftet. Und doch, Baron, unterlaß nicht, dem Weibe und dem Kinde diese letzte, wenn auch noch unvollkommne Gerechtigkeit anzutun! Befiehl mir, Euch ehelich zusammen zu tun, aber feiert das Fest Eurer Hochzeit nicht mit Festlichkeit und Schmauserei, sondern mit Herzeleid und Trübsal über begangne Sünde und mit dem Vorsatz, hinfort ein besseres Leben zu führen. Dann kann ich sagen, daß mich ein glücklicher Zufall in diese Burg geführt hat, wiewohl ich den Fuß in sie setzte als ein vom Unglück verfolgter Mann, der nicht weiß, wohin er sich wenden solle!«
Vielleicht zum ersten Male in seinem ganzen Leben hatte der wilde Baron, der gewohnt war, alles Gesetz zu verhöhnen und allen Zwang religiösen und sittlichen Gebots zu verwerfen, die Empfindung, daß er sich vor einem höhern Geiste als dem seinen beugen müsse. Stumm und unschlüssig saß er auf seinem Schemel, schwankend zwischen Zorn und Scham und niedergedrückt durch die Wucht gerechten Tadels, der ihm mit solcher Festigkeit und Kühnheit ins Gesicht geschleudert wurde. Das unglückliche schöne Weib aber meinte, Schweigen und Unschlüssigkeit ihres Tyrannen so deuten zu dürfen, als fühle er sich zur Nachgiebigkeit gestimmt. Und Furcht und Scham außer acht setzend, heftete sie die Augen bittend auf ihn und rückte näher und näher zu seinem Sitze heran, bis sie endlich die Hand auf seinen Mantel legen konnte. Sie tat es zitternd und bebend, und zitternd und bebend sprach sie leise zu ihm:
»Ach, edler, edler Julian! leih den Worten des guten Mannes Herz und Ohr!«
Aber Wort und Bewegung der schönen Frau waren übel angebracht und bewirkten in seinem harten Gemüte das
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