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Das Kloster (German Edition)

Das Kloster (German Edition)

Titel: Das Kloster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Scott
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bin ein Prediger des heiligen Wortes, und dieses Schreiben hier von einem sehr vornehmen Herrn wird Euch über den Grund meiner Anwesenheit unterrichten.«
    Mit diesen Worten übergab er dem Baron einen Brief, und dieser betrachtete nicht ohne Ueberraschung das Siegel und las mit immer wachsenderer Verwunderung den Inhalt. Dann heftete er einen grimmigen Blick auf den Greis und rief in warnendem Tone:
    »Du nimmst Dir hoffentlich nicht heraus, mich zu täuschen oder gar zu hintergehen?«
    »Ich bin der Mensch nicht, der solches im stande wäre,« versetzte kurz der Prediger.
    Julian trat ans Fenster und las den Brief noch einmal oder stellte sich wenigstens so, denn sein Blick schweifte verstohlen von dem Brief auf den Fremden, wie wenn er den Inhalt mit dem Gesicht desselben vergleichen wolle. Endlich rief er der schönen Frau zu:
    »Käthe, hol mir doch einmal geschwind den Brief, den Du in dem Kästchen aufheben solltest, weil es mir an einem geeigneten Orte, ihn aufzuheben, fehlte.«
    Katharina stand schnell auf, und nun wurde jener veränderte Zustand, der einen weiteren Rock und Gürtel forderte, in welchem die Frau eine erhöhte Sorgfalt und Liebe vom Manne zu erwarten hat, noch sichtbarer als bisher. Sie war zwar schnell mit dem geforderten Papiere wieder zur Stelle, aber der ganze Dank, den sie dafür erhielt, bestand in den Worten:
    »Ich danke Dir, Weib; Du bist ein gewissenhafter Sekretär.«
    Auch dieses zweite Papier las er mehr denn einmal durch und warf auch während dieser Lektüre von Zeit zu Zeit einen vergleichenden Blick auf den Prediger, der aber trotz aller Gefahr seiner Lage die Ruhe wahrte, wie bisher, und vor dem Geierblick des Barons unentwegt standhielt. Zuletzt faltete der Baron die Papiere zusammen und schob sie in die Rocktasche. Dann sagte er mit einem fröhlichen Anstrich zu seiner Gefährtin:
    »Käthe! ich habe den guten Mann verkannt; ich habe ihn für einen von den römischen Faulpelzen gehalten, aber er ist ein Prediger von ... von der neuen Lehre der Kongregation.«
    »Von der Lehre der heiligen Schrift,« erwiderte der Prediger, »die geläutert worden ist durch menschliche Erfindungen.«
    »Ja, so ist wohl die Bezeichnung,« antwortete Julian von Avenel, »meinetwegen nenne es, wie es Dir beliebt! mir ists recht, weil wir dadurch die albernen Träumereien von Heiligen, Engeln oder Teufeln los kriegen, und die mönchischen Tagediebe überflüssig werden, die uns mit ihren Leichenmessen und Opfern und Zehnten das Geld aus der Tasche und mit ihren zehn Geboten und Psalmen den Mut aus dem Herzen holen! Die neue Lehre räumt ja auf mit all dem Kram von Taufen und Bußen und Beichten und Ehen, und was es an sogenannten Sakramenten sonst noch gibt!«
    »Mit Verlaub,« sagte Warden, »nicht gegen die Grundlehren der Kirche kämpfen wir, sondern gegen die Verderbnis der Kirche; nicht abschaffen wollen wir die Grundlehren, sondern vielmehr festigen.«
    »Ruhig, Pfaffe!« rief der Baron, »uns Laien ists ganz gleichgültig, was Ihr macht und wie Ihrs macht. Unser Beruf ists, die Welt von oben nach unten zu kehren, denn wenn alles drunter und drüber geht, dann leben wir am lustigsten.«
    Warden wäre ihm die Antwort hierauf wohl kaum schuldig geblieben, aber der Baron ließ ihm keine Zeit dazu, sondern schlug mit dem Dolch auf den Tisch und rief:
    »Heda, ihr langsamen Schufte! tragt das Essen auf! Seht Ihr denn nicht, daß der fromme Mann ganz ausgehungert ist? Habt Ihr je von einem Pfaffen gehört, der nicht fünfmal am Tage gefuttert hätte?«
    Die Diener brachten mehrere dampfende Schüsseln herein, in denen große Stücke Rindfleisch, teils gebraten, teils gekocht, lagen, aber ohne alle Zutat, ohne Gemüse sowohl als Brot, bloß ein paar Haferkuchen wurden in einem Korbe auf die Tafel gesetzt. Der Ritter hielt es für angemessen, sich bei Heinrich Warden deshalb zu entschuldigen.
    »Ihr seid von jemand, den wir außerordentlich achten und schätzen, unsrer Fürsorge empfohlen, Herr Prediger, da dies nun doch einmal Euer Titel ist,« sagte Julian von Avenel.
    »Ich bin der Zuversicht, daß der edle Lord ...« sagte Warden.
    »Pst, pst!« fiel ihm der Ritter in die Rede, »was brauchen Namen genannt zu werden? Wir verstehen einander ja doch! Ich wollte bloß erwähnen, daß er Euch unsrer Hut empfiehlt. Nun, was diesen Punkt anbetrifft, so braucht Ihr ja bloß auf unsre Mauern und auf den See um unsre Burg herum zu blicken; aber der Lord legt uns auch ans Herz, für Eure

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