Das Kloster (German Edition)
Martin unterhalten und von demselben Kunde bekommen hatte, durch welche unvermutete Mitteilung Mary von Avenel in diesen erregten Zustand versetzt worden war. In feierlichem Tone und mit auffälliger Langsamkeit sprach derselbe:
»Herr Ritter, es sind so ungewöhnliche Dinge mir zu Ohren gebracht worden, daß ich mich, ohne Rücksicht darauf, daß Ihr der Gast unsrer ehrwürdigen Gemeinschaft seid, gezwungen sehe, darüber eine Erklärung von Euch zu verlangen. Ihr habt heut morgen diesen Turm verlassen in Gesellschaft eines Jünglings, des ältern Sohnes dieser wackern Frau, und kehrt nun ohne ihn zurück. Wo habt Ihr Halbert Glendinning gelassen, und wann habt Ihr ihn verlassen?«
Der englische Ritter schwieg einen Augenblick. Dann antwortete er:
»Es muß mich Wunder nehmen, daß Euer Ehrwürden solch ernsten Ton anschlagen, um solch belanglose Frage zu stellen. Ich habe mich ein paar Stunden nach Sonnenaufgang von Halbert Glendinning getrennt.«
»Und wo, wenns beliebt?« fragte der Pater weiter.
»In einer tiefen Schlucht, in der am Fuß eines mächtigen Felsens eine Quelle entspringt,« hub der Ritter an, »ein erdgeborner Titan, der sein graues Haupt erhebt ...«
»Erspart uns die weitre Schilderung,« versetzte der Pater,«denn wir kennen die Oertlichkeit. Von dem Jüngling ist seitdem aber nichts mehr vernommen worden, und an Euch ist es nun, Rechenschaft über ihn zu geben.«
»Mein Sohn, mein Sohn!« schrie jetzt Frau Glendinning auf, »jawohl, heiliger Vater, fordert Rechenschaft von dem Schelm über mein Kind!«
»Ich schwöre bei Brot und Wasser, den Stützen unsers Lebens, gute Frau ...« hub der Ritter wieder an.
»Schwöre bei Wein und Semmel,« rief Frau Glendinning, »denn das sind Deines Lebens Stützen, Du verhungerter Mann aus dem Süden! So ein Hundsfott von Fresser kommt zu uns ins Haus, verlangt die besten Bissen, räsonniert noch, daß ihm nichts fein genug sei, und während wir das unsrige tun, ihm sein Leben zu erhalten, tut er das Seinige, uns nach dem Leben zu trachten!«
»Ich sage Euch doch, Frau,« erwiderte Sir Piercie, »ich bin mit Eurem Sohne einfach auf die Jagd gegangen.«
»Für unsern armen Jungen ist es eine traurige Jagd geworden,« bemerkte Frau Tibbie; »ich habe doch gleich gesagt, als ich den falschen Mann aus dem Süden gesehen habe, daß von dem nichts Gutes zu erwarten stehe. Wann hats wohl eine gute Jagd gegeben, sobald ein Piercie mit hinauszog?«
»Still, Frau,« verwies ihr der Unterprior das Wort, »noch haben wir keine Gewißheit, sondern nur Verdacht ...«
»Sein Herzblut gehört uns!« schrie Frau Glendinning, und stürmte so wild auf den Schönredner ein, daß es wohl ein schlimmeres Ende mit ihm genommen hätte, wäre nicht der Pater ihr zusammen mit Müllers Mysie in den Arm gefallen. Edward, der gleich nach der Frage des Paters aus dem Gemache geschritten war, trat jetzt wieder herein, mit dem Schwert in der Faust und gefolgt von Martin und Kaspar, die mit Jagdspeer und Armbrust bewaffnet waren.
»Besetzt die Tür!« befahl er seinen beiden Begleitern, »und versucht er durchzubrechen, dann stoßt oder schlagt ihn nieder ohne Gnade! denn beim Himmel, sobald er zu entwischen sucht, so muß er sterben!«
»Was hast Du im Sinne?« fragte der Prior; »wie kannst Du Dich so vergessen, gegen einen Gast Gewalt zu brauchen, in Gegenwart von mir, dem Stellvertreter Deines Lehnsherrn?«
Mit dem bloßen Schwert in der Faust trat Edward einen Schritt vor und rief:
»Verzeiht, ehrwürdiger Vater, hier spricht die Stimme der Natur lauter und gebieterischer als die Eurige. Ich kehre meines Schwertes Spitze gegen diesen Mann und fordre von ihm das Blut meines Bruders, das Blut von meines Vaters Sohne, der unsers Namens Erbe und Träger ist. Weigert er mir Rechenschaft über meines Bruders Verbleib, so soll er meiner Rache nicht entrinnen!«
Aber Sir Piercie Shafton, so groß auch seine Verlegenheit war, äußerte doch keine Furcht für sein Leben.
»Steck Dein Schwert ein, Jüngling,« sagte er, »an einem Tage schlägt Piercie Shafton sich nicht mit zwei Bauern!«
»Höret Ihr es, heiliger Vater?« rief Edward; »er bekennt die Tat.«
»Geduld, mein Sohn, Geduld!« sagte der Pater, »besser wirst Du Dir durch meine Vermittelung als durch Deine Gewalttätigkeit Recht verschaffen. Ihr Frauen aber, verhaltet Euch ruhig! Tibbie, führt Eure Herrin und Mary Avenel beiseite!«
Als die Frauen aus dem Raume verschwunden waren, forderte der Unterprior den
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